Gibt es auch Vollmilchschokoladen für Feinschmecker?

Ja, es gibt auch wirklich hervorragend schmeckende Gourmet-Milchschokoladen. Solche Schokoladen besitzen einen höheren Kakaoanteil als Milchschokoladen aus dem Supermarkt oder Discounter. Zum Beispiel enthält eine typische Vollmilch Milka lediglich 30 Prozent Kakao, inklusive nicht aromatragender Kakaobutter. Ein angemessener Kakaogehalt einer edlen Tafel liegt bei etwa 45 bis 65 Prozent. Kakaomasse und Kakaobutter sind oft in einem ähnlichen Mengenverhältnis zueinander, bei einer intensiveren Milchschokolade mit höherem Fokus auf den Kakaoaromen kann der Anteil der Gesamtkakaomenge durchaus höher sein – bis zu ¾ der gesamten Kakaobestandteile. Den Rest der Zutaten machen Vollmilchpulver und Rohrzucker/Zucker aus. Lecithine und Vanille sind bei der Verwendung aromatischer Kakaosorten überflüssig. Wie bei den dunklen Ursprungsschokoladen werden entweder ausgesuchte Kakaosorten aus einer einzelnen Region oder ein Blend aus aufeinander abgestimmten Kakaomischungen aus verschiedenen Ländern oder wie im Falle von Friis-Holm (siehe Schokolade auf dem Bild) aus einem Ort verwendet.

 

Die dunkle Vollmilchschokolade des Dänen Friis-Holm als derzeitiges Nonplusultra im Bereich Gourmet-Vollmilch

 

Wenn beispielsweise eine Vollmilchschokolade wie die mehrfach auf den International Chocolate Awards und Academy of Chocolate Awards preisgekrönte Milchschokolade des dänischen Chocolatiers Mikkel Friis-Holm 65 Prozent Kakao beinhaltet, besitzt diese bei etwa 15 Prozent Milchbestandteilen und 20 Prozent Zucker sogar weniger Zucker als eine klassische 70-Prozent-Dunkelschokolade. Vom Geschmacksempfinden her ist aber eine solche Tafel sogar süßer, da das hinzugefügte Milchpulver einerseits für zusätzliche Süße sorgt und andererseits je nach Kakaosorte die mehr oder weniger adstringierenden Kakaoaromen ausbalanciert und abfedert.

 

Dass die dunkle Milchschokolade vom Schokoladenmeister Friis-Holm auch bei den diesjährigen International Chocolate Awards (dem wohl renommiertestem Wettbewerb für Gourmetschokoladen, der quasi mit einer inoffiziellen Schokoladen-Weltmeisterschaft gleichzusetzen ist) von der Jury zur aktuell weltbesten Milchschokolade gekürt wurde, ist auch für mich nicht verwunderlich. Das aus sechs unterschiedlichen alten nicaraguanischen Kakaovarietäten bestehende Meisterstück bringt derartige Aromen hervor, die seinesgleichen suchen: eine Mischung aus Sahne, Karamell, Haselnussnougat, Rosinen und Beeren - eine delikate Geschmacksexplosion, die man nicht so schnell vergisst. Da Friis-Holm's Produktionsstätte im Vergleich zu industriellen Großunternehmen nur in sehr kleinen Mengen produziert (u. a. sind die Erntemengen an qualitativ hochwertigem Edelkakao aus Nicaragua sehr gering), ist diese preisgekrönte Schokolade in Deutschland nur in wenigen Geschäften erhältlich und dann oft schnell ausverkauft.

Zur Information für alle Interessierten: Zurzeit ist sie online in folgenden Schokoladenshops noch zu haben: beim "QuitoBerlin-Shop" und bei "Chocolat-de-luxe". Oder man kann auch direkt bei Friis-Holm nachfragen, wenn höhere Versandkosten aus Dänemark in Kauf genommen werden.

 

Der Chocolatier Mikkel Friis-Holm: Ein wahrer Perfektionist in der Schokoladenszene

 

Was den dänischen Chocolatiers Friis-Holm anbelangt, erst seit 2015 besitzt er seine eigene kleine Produktionsstätte im dänischen Städtchen Kirke Saaby, wo er auf eine perfektionistische und nahezu wissenschaftliche Weise Schokoladentafeln aus akribisch ausgesuchten nicaraguanischen Kakaobohnen in kleinsten Mengen herstellt. Vorher ließ er - beginnend im Jahr 2007 - seine Schokoladentafeln beim französischen Altmeister Stéphane Bonnat anfertigen. Eine ebenso interessante Tatsache über den Dänen ist, dass der gelernte Koche in den neunziger Jahren das Schokoladenhandwerk in San Francisco unter der Obhut von John Scharffenberger und Robert Steinberg gelernt hat. Die beiden Amerikaner gelten als die Vorreiter der heutzutage boomenden Bean-to-Bar-Schokoladenbewegung in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Mikkel Friis-Holm ist auch Mitbegründer eines wissenschaftlichen Kakaoprojekts in Nicaragua mit dem Ziel, alte und seltene Edelkakaosorten zu erforschen und wiederzukultivieren. Seit rund zehn Jahren verwendet er in seinen Produkten diese besonderen Kakaobohnen. Außerdem ist er der erste Chocolatier weltweit, der - in Zusammenarbeit mit nicaraguanischen Kakaobauern - an unterschiedlichen Fermentationsverfahren der Kakaobohnen experimentiert. Schon dieser einzige Unterschied bei der Nachernte beeinflusst das Aromenprofil des Kakaos maßgeblich. Selbstverständlich stellt der Däne daraus zwei unterschiedlich schmeckende Schokoladen her - die gleichen Kakaobohnen der Sorte Chuno, aber mit abweichender Fermentation - zweimal und dreimal gewendet während der Fermentation. Das Ergebnis spricht für sich: Beide Sorten erlangten dieses Jahr auf der Schokoladen-WM eine Gold- und Silbermedaille in der Kategorie Dunkelschokolade unter 80% Kakao. Besonders die Sorte Chuno Double Turned 70%, deren Kakaobohnen zweifach während der Fermentation gewendet werden, gehört zu meinen absoluten Lieblingsschokoladen. Mit ihren delikaten und fein ausbalancierten Nuss-, Nougat-, Sahne- und Fruchtakzenten und ihrer gleichzeitigen Mildheit übetrifft sie meines Erachtens geschmacklich sogar die besten Schokoladen, die mit dem begehrten und raren Porcelana-Kakao aus Venezuela gemacht werden.

 

Milchschokoladenkonkurrenz von Chocolatiers aus Frankreich

 

Aus meiner Sicht hat sich Mikkel Friis-Holm in der Schokoladenwelt einen Status erarbeitet, der in etwa mit dem der Sängerin Adele in der Musikszene gleichzusetzen wäre. Das was der Däne aus Kakaobohnen zaubern kann, gleicht schon nahezu an Magie. Natürlich darf er sich jetzt nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen, denn die Konkurrenz schläft nicht. Die Qualitätsunterschiede unter den besten Chocolatiers sind oft verschwindend gering. Vergleichbar gute Gourmet-Milchschokoladen gibt es z. B. von der Chocolaterie Michel Cluizel oder von Franck Morin aus Frankreich. Michel Cluizel ist vor allem berühmt für seine "Mangaro Lait Madagascar 1er Cru de Plantation 50%" - hergestellt mit Kakao aus einer speziellen Plantage auf Madagaskar.

Franck Morin, der junge französische Chocolatier aus der südfranzösischen Kleinstadt Donzere, der trotz seiner qualitativen Konstanz noch von vielen zu unrecht unterschätzt wird, macht neben zahlreichen aromatischen dunklen Ursprungsschokoladen auch besonders hochwertige Milchvarianten. Dafür benutzt er unter anderem Kakao aus verschiedenen Ländern wie Bolivien, Jamaika oder Peru. Erst kürzlich gewann Morin mit seiner Milchschokolade 48% mit vietnamesischen Kakao der Region Ben Tre den ersten Preis im Rahmen eines Wettbewerbs auf dem prestigeträchtigen Salon du Chocolat in Paris (am 29.10.2017). 

 

Zotter: Österreichische Milchschokoladen auf Weltniveau

 

Auch die österreichische Schokoladenmanufaktur Zotter stellt einige besonders aromatische Milchschokoladen (ebenso mit Kakao aus Nicaragua, der zusätzlich offiziell bio- und fairtrade-zertifiziert ist) auf Weltniveau her - besonders hervorzuheben sind die Zotter-Sorten Nicaragua 50% und Nicaragua 60%. Das mittlerweile seit 30 Jahren bestehende Unternehmen von Josef Zotter ist in Bezug auf Nachhaltigkeit, Ehrlichkeit, Transparenz und Wahrung sozialer Werte ein einzigartiges Vorzeigeprojekt, welches in dieser Form nicht häufig anzutreffen ist. Hinzu kommen eine absolute Kompromisslosigkeit in Sachen Rohstoffauswahl und hohe Qualitätsstandards. Ich persönlich kenne selbst nur sehr wenige Chocolatiers weltweit, dessen nahezu gesamtes Schokoladensortiment seit Jahren so konstant auf einem derartig hohen Niveau ist - und ich habe schon wirklich viele Schokoladen probiert.