Eigentlich ist der Pole Jakub Piatkowski als Genetiker bisher schwerpunktmäßig in der Wissenschaft tätig gewesen. Doch seit Anfang 2016 stellt der in Krakau wohnende Doktorant nebenher High-End-Schokoladen aus hochwertigen Kakaobohnen her. Noch ist seine große Schokoladenpassion nur ein Hobby und ein kleiner Nebenerwerb. Nichtsdestotrotz erlangten seine dunklen Schokoladen - besonders die Sorten mit Kakao aus Madagaskar und Honduras - von Anfang an internationale Anerkennung. Auszeichnungen bei den prestigeträchtigen "Chocolate Academy Awards" in den Jahren 2016 und 2017 zeugen von seinem großen Talent. Der wissenschaftliche Berufsalltag in Krakaus Universitätsklinik, wo er sich im endokrinologischen und onkologischen Bereich mit der Entschlüsselung genetischer Rätsel befasst, kommt dem Schokoladen-Newcomer, wie er selbst behauptet, nur zugute. Durch Arbeitserfahrungen im Labor, die mit präzisen Vorgehensweisen bezogen auf Planung, Geduld und methodologische Herangehensweisen einhergehen, fiel es ihm leichter, sich die bean-to-bar bedingten Herstellungsprozesse anzueignen und entsprechend anzuwenden. Selbstverständlich führt der Krakauer in seiner kleinen Schokoladenmanufaktur - beginnend mit der Auswahl qualitativer Kakaobohnen - handwerklich alle Produktionsschritte (Rösten, Brechen, Mahlen, Conchieren) selbst durch und verwendet stets die bestmöglichen Rohstoffe. Die Kakaobohnen werden von ihm schonend geröstet und anschließend in überschaubaren Chargen mithilfe von kleinen Schokoladenmühlen (typisch bei kleinen Chocolatiers in der Bean-to-Bar Szene) feingewalzt. Besonders lobenswert ist, dass der Pole für die Schokoladenproduktion keinerlei Emulgatoren verwendet. Er beherrscht alle Kakao-Verarbeitungsschritte anscheinend schon so perfekt, dass er ebenso ohne zusätzlich hinzugefügte Kakaobutter auskommt, ohne dass Nachteile im Schmelzverhalten seiner Produkte entstehen. Gleichzeitig können die jeweiligen Kakaoaromen auf diese Weise besser zum Ausdruck kommen. Ich selbst habe alle seine Schokoladensorten schon mehrmals probiert und war von Beginn an von den geschmacklichen Qualitäten sehr angetan. Persönlich schätze ich besonders die Madagaskar (72% Kakao)- und die Honduras-Schokolade (mit 70% Kakao), die meines Erachtens zu absoluten Topprodukten gehören. Preislich gesehen (ca. 5 Euro pro 50-Gramm Tafel) sind sie ein wenig teurer, was jedoch die handwerkliche Produktion in vergleichsweise kleinen Mengen mehr als gerechtfertigt. Und der hervorragende Geschmack entspricht unter Expetren ohnehin den Erwartungen einer Weltklasseschokolade sowie meinen Vorstellungen eines perfekten Feinschmeckerprodukts.
Polnischer Schokoladen-Perfektionist mit wissenschaftlichem Hintergrund
Beachtlich ist umso mehr, dass es dem jungen Polen gelungen ist, schon nach so kurzer Zeit gleich drei Auszeichnungen bei einem der bedeutendsten internationalen Schokoladenwettbewerbe, der bedenkenlos als inoffizielle Schokoladen-Weltmeisterschaft gesehen werden kann, zu erhalten.
Inzwischen hat Jakub Piatkowski einen Partner - ein ehemaliger Kunde, der seine Edelschokoladen sehr schätzt - hinzugewonnen, der ihn seit Anfang 2017 besonders bei Marketingangelegenheiten unterstützt. Krzysztof Podsiadlo, der hauptberuflich als Verkaufsdirektor in einer großen polnischen Produktionsfirma tätig ist, bringt in dieser Hinsicht nützliches Know-how mit, mit welchem er den Bekanntheitsgrad des noch jungen Schokoladenunternehmens international steigern möchte.
Hier halte ich in meiner Hand Jakub Piatkowski's aromatische Madagaskar- und Honduras-Schokolade. Beide Tafeln bestehen nur aus Kakaobohnen und Rohrohrzucker. Sie weisen bemerkenswerte Frucht-Noten auf und spiegeln sehr gelungen die terroire-spezifischen Aromen der jeweiligen Anbauorte wieder. Wie mir Herr Piatkowski in einem Telefongespräch bestätigte, verwendet er für alle seine Produkte nur ausgesuchte und nachhaltig angebaute Edelkakaobohnen von in dieser Hinsicht seriösen und zuverlässigen Kakaoproduzenten. So nimmt er für seine Madagaskar-Interpretation ausschließlich Kakao von Bertil Akesson's weltberühmten Kakaoplantagen im madagassischen Sambirano-Tal. Seit kurzem trägt die bekannteste Kakaoplantage des Schweden "Bejofo" sogar ein offizielles Siegel von der Organisation "Heirloom Cacao", welches nur den aromatischsten und nachhaltigsten Kakaosorten der Welt verliehen wird. Und der Honduras-Kakao stammt von "Xoco", einem auf nachhaltigen Edelkakao spezialisierten Unternehmen, das mit agroforstwirtschaftlich arbeitenden Bauernkooperativen besonders in Zentralamerika (Honduras, Guatemala, Nicaragua, Belize) eng zusammenarbeitet. Auf offizielle Bio-Zertifikate auf seinen Produkten verzichtet der polnische Schokoladen-Rookie wohl bewusst und sicherlich zurecht aus Rentabilitätsgründen. Mit Absicht verkostet er ebenso keine Schokoladen von Konkurrenten, um so von anderen Chocolatiers in punkto Geschmack nicht beeinflusst zu werden und besser einen eigenen Charakter mit Alleinstellungsmerkmalen kreieren zu können.
Außerdem bietet der Krakauer eine Brasilien-Schokolade mit 65 Prozent Kakao sowie ein mit dem gleichen Kakaogehalt hergestelltes Produkt mit Kakao aus der Elfenbeinküste an. Zudem produziert er eine 67-prozentige Schokolade mit Kakaobohnen aus der Dominikanischen Republik. Diese drei Sorten sind zwar mit Ausnahme von "Brasilien 65%" aromatisch gesehen ein wenig schwächer, aber immer noch solide und schmackhaft. Diese qualitative Schwankung ist aber wohl mehr dem Aromenspektrum dieser Provenienzen verschuldet und hat nichts mit einer schlechten Verarbeitung zu tun. Genauere Ursprungs- und Quellenanagaben zu diesen drei Schokoladen (Brasilien, Elfenbeinküste, Dominikanische Republik) sind auf den Verpackungen nicht angegeben. Dem Geschmack zufolge könnte es sich bei der Brasilien-Sorte womöglich um die brasilianische Kakaoplantage "Fazenda Sempre Firme" handeln, die auch dem schwedischen Kakao-Guru Akesson gehört. Meine Vermutung wurde vom Polen bestätigt. In Bezug auf die Dominikanische Republik und die Elfenbeinküste vermute ich, dass irgendwelche großflächig operierende Bauernkooperativen dahinterstecken, ohne mich jetzt auf ein bestimmtes Kooperativen-Unternehmen festzulegen. Und ich lag tatsächlich richtig. Nachdem ich mich beim Schokoladenhersteller persönlich auch zu diesen Kakaoquellen erkundigt habe, habe ich die Informationen erhalten, dass Kakaobohnen von der dominikanischen Bauernkooperative "Conacado" und von "Agricom" aus der Elfenbeinküste verwendet werden. Besonders in dieser Hinsicht wäre mehr direkte Transparenz wünschenswert, wobei Herr Piatkowski zumindest auf Nachfrage zu den Kakaoursprüngen konkrete Antworten gibt. Genauere Angaben zu den Provenienzen und den Kakaovarietäten von vornherein auf den Verpackungen anzubringen, wäre ohne Zweifel von Vorteil - sowohl für den Konsumenten als auch für den Schokoladenhersteller selbst. Hinsichtlich Vermarktungsstrategien ist im Vergleich zu den technisch-handwerklichen und geschmacklichen Aspekten noch deutlich mehr Luft nach oben.
Die Schokoladen sind am einfachsten direkt über den Webshop des Schokoladenunternehmens zu bekommen. Herr Piatkowski ist ein sehr sympathischer und bescheidener Mensch, der auch problemlos Schokoladenbestellungen ins Ausland wie z. B. für Kunden nach Deutschland verschickt. Noch ist die Schokoladenproduktion nur eine große Leidenschaft des Polen, welcher er bislang ohne Kompromisse nachgegangen ist. Wer weiß, vielleicht wird die Nachfrage nach seinen Schokoladen schon bald so groß sein, dass er sich früher oder später beruflich vollständig der Kakao- und Schokoladenwelt widmen wird. Da ich selbst polnische Wurzeln habe, ist mein Faible für Piatkowski's Feinschmecker-Schokoladen hoffentlich umso nachvollziehbarer.
Im Folgenden gebe ich meine persönliche Meinung (Punktebewertung) zu den zwei besten Schokoladen (Madagaskar 72%, Honduras 70%) aus dem JP-Sortiment, die einen aus meiner Sicht repräsentativen Überblick und Gesamteindruck verschaffen:
Dunkle Single-Origin Schokoladen (Jakub Piatkowski) im Geschmackstest
(A) Duftaromen: 18 / 18 Punkte
(B) Geschmacksaromen: 48 / 48 Punkte
(C) Optik: 3 / 3 Punkte
(D) Schmelz: 3 / 3 Punkte
(E) Zutaten: 18 / 18 Punkte
(F) Nachhaltigkeitseinschätzung: 4 / 4 Punkte
(G) Gesamteindruck: 6 / 6 Punkte
JP Czekolada - Madagaskar 72%
Kakaoherkunft: Madagaskar, Sambiranotal, Bio-Kakaoplantage von Bertil Akesson
Kakaovarietät: Criollo/Trinitario
A) Duftaromen: rote Früchte, Waldfrüchte, erdige Noten 15/18
B) Geschmacksaromen: nussig, Zitrusfrüchte, Marmelade, Karamell, Rahm, Haselnussnougat 45/48
C) sehr gut 3/3
D) feinschmelzend 3/3
E) Kakaomasse, Rohrohrzucker: sehr gut 18/18
F) sehr gut:
direkt eingekaufter Kakao von Akesson 4/4
G) Gesamteindruck: 6/6
Gesamtpunkte: 94/100
Fazit: Eine zweifellos hervorragende Madagaskar-Schokolade, die intensiv fruchtig ist und besonders mit intensiven Zitrusfruchtaromen und einer leichten Karamell- und Nuss-Nougatnote heraussticht. Durch den relativ hohen Anteil an reiner Kakaomasse (72%) ohne Kakaobutter-Zusatz punktet sie mit einer hohen, aber dennoch gut eingestimmten Aromenintensität. Hut ab, Jakub Piatkowski!
JP Czekolada - Honduras 70%
Kakaoherkunft: Honduras (nördliche und zentrale Gebiete), Xoco-Projekt: Kleinbauernkooperativen
Kakaovarietät: ortstypische Kakao-Selektion; Criollo-Typus (Mayan Red)
A) Duftaromen: rote Früchte, Beeren, dezente fermentierte Anklänge 15/18
B) Geschmacksaromen: schwarze Johannisbeere, rote Trauben, Zitrusfrüchte, Lakritz, Karamell, Toffee, rote Früchte im Abgang 45/48
C) sehr gut 3/3
D) feinschmelzend 3/3
E) Kakaomasse, Rohrohrzucker: sehr gut 18/18
F) sehr gut:
direkt eingekaufter Kakao von "Xoco" 4/4
G) Gesamteindruck: 6/6
Gesamtpunkte: 94/100
Fazit: Auch die Honduras-Schokolade weist schmackhafte Fruchtaromen auf, die im Vergleich zu ihrer Madagaskar-Schwester am ehesten mit schwarzen Johannisbeeren assoziiert werden. Interessante Lakritz- und Toffeenoten runden die rote Fruchtbombe perfekt ab - ein wahrer Geheimtipp, den wohl noch (zu) wenige Schokoladen-Feinschmecker kennen.
Bemerkung: Als unparteiischer Schokoladenblogger vertrete ich keine einzelnen Hersteller oder Vertriebe und richte mich nur nach gutem Geschmack und den Werten der Schokoladenhersteller.
Wenn ich Interesse mit meinen Schokoladenempfehlungen geweckt habe, so möchte ich lediglich als Hilfestellung aufzeigen, wo und wie man derartige Schokoladen kaufen kann. Am leichtesten bekommt man die Schokoladen direkt über den unternehmensinternen Onlineshop. Im deutschen Schokoladen-Fachhandel sind die Schokoladen von Jakub Piatkowski bisher noch nicht erhältlich. Das kann sich ja aber schon bald ändern, wer weiß.