Soklet - Tree-to-Bar Schokoladen aus Indien

Das in der Schokoladenproduktion ökologisch und sozial vorbildliche Tree-to-Bar Prinzip beginnt sich jetzt langsam auch in Indien zu etablieren und stetig weiterzuentwickeln. Schließlich ist der Anbau von hochwertigem Edelkakao mit anschließender Verarbeitung zur Feinschmecker-Schokolade vor Ort auch in einem der größten und bevölkerungsreichsten Länder der Welt, welches besonders im Bereich Edelkakao bisher keine nennenswerte Rolle weltweit gespielt hat, Realität geworden. Das Jahr 2015 markiert den Anfang einer anbahnenden Kakao-Revolution in Südasien. In diesem Jahr wurde das auf Gourmetschokoladen spezialisierte Unternehmen "Soklet" von Karthikeyan Palaniswamy und Harish Manoj Kumar gegründet. Mit derzeit nur insgesamt vier Bean-to-Bar Schokoladenproduzenten im ganzen Land ist "Soklet" ein Pionier in der qualitätsbewussten Schokoladen-Bewegung. Nach wie vor ist es die bislang erste und einzige Tree-to-Bar-Firma in Indien. Dass es der seit 2005 von der Familie Kumar angebaute Edelkakao im Rahmen der 2017 stattgefundenen "International Cocoa Awards" unter die 18 aromatisch besten Kakaosorten der Welt geschafft hat, ist wegen der noch jungen Unternehmensgeschichte eine umso bemerkenswertere Leistung in qualitativer wie ökologischer Hinsicht. Der Kakao aus Südostindien, der im Bundesstaat Tamil Nadu, am Fuße der Anamalai Hügel, in unmittelbarer Nähe zum Indira-Gandhi-Nationalpark von unterschiedlichen Kakaobauern wie vom Firmengründer "Manoj" selbst stammt, wird nach den nachhaltigen, bodenfreundlichen und naturnahen Prinzipien der Permakultur und des "Korean Natural Farming" angebaut. Der Kakao wächst in Mischulturen, unter anderem zusammen mit Kokosnusspalmen und Muskatnussbäumen.

Die Schokoladenmanufaktur liegt in der Nähe der Metropole Coimbatore, 40 Kilometer weiter südlich in der Kleinstadt Pollachi. Gleichzeitig befindet sich die Produktionsstätte in der Nähe von "Manoj's" Wohnhaus, sodass alle Herstellungsprozesse von den beiden Firmengründern sehr genau im Auge behalten werden können.

Anhand einer von mir kürzlich probierten 70-prozentigen Dunkelschokolade von "Soklet" konnte ich mir als Schokoladentester eine eigene Meinung über die aromatischen Kakao-Qualitäten des indischen Newcomers machen. Mein Fazit hierzu ist eindeutig: Die Schokolade schmeckt wirklich gut, obendrein verfügt sie über ein interessantes und vielschichtiges Aromenprofil. Mir ist aufgefallen, dass ihre charakteristischen fruchtigen, würzigen und erdigen Noten geschmackliche Parallelen zum Vietnam-Kakao aufweisen, welchen ich schon öfter von verschiedenen Schokoladenherstellern in unterschiedlichen Interpretationen verkostet habe.

Seit September 2018 sind die besonderen Tree-to-Bar Schokoladen aus Indien auch in Deutschland erhältlich. Zurzeit werden sie nur im Schokoladen-Onlineshop "Feine Schokolade Dressler", einem auf seltene Ursprungsregionen spezialisierten Spezialgeschäft in Leipzig, angeboten. In Anbetracht des ökologischen und sozioökonomischen Aufwands sind die Preise von 5,30 Euro pro 50-Gramm-Tafel gerechtfertigt und somit ist das Preis-Leistungs-Verhältnis meines Erachtens sehr gut.

Bilder-Impressionen: Kakaoanbau in Tamil Nadu am Fuße der Anamalai Hügel:

 

Entstehungsgeschichte von Soklet

 

Das indische Tree-to-Bar Schokoladenunternehmen wurde vor fast vier Jahren von Karthikeyan Palaniswany zusammen mit dessen Schwager Harish Manoj Kumar gegründet, nachdem Karthikeyan nach jahrelanger Tätigkeit in der Textilbranche mit seinem eigenen Herstellungsunternehmen den Entschluss gefasst hat, in den Lebensmittelbereich einzusteigen.

Auch sein Schokoladenpartner Manoj war als ausgebildeter Computeringenieur anfänglich in der Textilindustrie tätig. Jetzt widmet er sich als Farmer voll und ganz ausschließlich dem Anbau von Kakao sowie Muskatnüssen. Die Familie Kumar kultiviert Kakao allerdings schon seit dem Jahr 2005.

Da Karthikeyan wegen seiner Leidenschaft für gute Lebensmittel schon immer das Ziel verfolgt hat, im Genussmittel-Sektor eigene Produkte herzustellen, kam er schließlich nach einem Gespräch mit seinem Schwager, der zu jenem Zeitpunkt bereits selbst Kakao angebaut hatte, auf die Idee, Schokolade aus den Kakaobohnen der Familie herzustellen. So kam eins zum anderen, und die beiden Inder begannen ohne vorheriger Praxiserfahrung und nur mittels mehrwöchiger Internetrecherche den Kakao aus eigenen Anbau so gut wie möglich zu fermentieren und daraus kleine Schokoladenchargen zu Hause herzustellen. Anschließend fragten sie einen zertifizierten Schokoladentester in Chennai nach seiner Meinung zu ihren ersten Schokoladenproben, ohne zu wissen, wie sein Urteil ausfallen würde. Glücklicherweise war der Tester auf Anhieb von den geschmacklichen Qualitäten ihrer Schokolade überzeugt und ermutigte die beiden Unternehmer mit Ihrem Kakao-Abenteuer unbedingt fortzufahren.

Daraufhin beschlossen Karthikeyan und Manoj mit einem international fest etablierten und erfolgreichen Bean-to-Bar-Schokoladenunternehmen in Kontakt zu treten, um die Qualität ihrer Kakaobohnen besonders in Bezug auf Optimierungsmaßnahmen in den Nachernteverfahren und in der Kakaoverarbeitung zu verbessern. Sie fragten bei Dandelion Chocolate aus San Francisco an, dessen Geschäftsführer sofort an einer Zusammenarbeit interessiert waren, zumal Indien noch 2015, wie es sich kurz später herausstellen sollte, ein unentdecktes Juwel im qualitätsbewussten Kakaosektor war. So unterstützte die kalifornische Firma die indischen Schokoladeneinsteiger beim Aufbau einer neuen Fermentationsanlage und brachte ihnen alle essenziellen Techniken und Methoden für die Nachernte sowie die Produktionsprozesse bei der Schokoladenherstellung bei. Die ersten Ergebnisse sprechen für sich: 2017 schafften es die indischen Kakaobohnen aus der Umgebung der Anamalai Hügel beim renommierten Salon du Chocolat in Paris unter die 18 aromatisch besten Kakao-Ursprünge der Welt. Seitdem befindet sich auch die Produktionsstätte in Pollachi, der Heimatstadt von Manoj. Die unterschiedlichen Schokoladensorten werden mit den im Bean-to-Bar Bereich typischen Geräten und Maschinen puristisch hergestellt. Die dunklen Schokoladen kommen sogar ohne zusätzlich hinzugefügte Kakaobutter aus und bestehen nur aus Kakaomasse und Rohrzucker. Auch die Kooperation mit den US-Amerikanern von Dandelion hält bis heute an. Das amerikanische Unternehmen ist von der Qualität des indischen Kakaos aus Tamil Nadu so sehr überzeugt, dass es auch selbst aus diesen Bohnen eine dunkle 70-prozentige Ursprungsschokolade erzeugt.

Zum allerersten Mal in Europa wurden die Schokoladentafeln von "Soklet" im Februar 2017 während des "Chocoa Chocolate Festival" in Amsterdam präsentiert. Bereits dort erhielten sie ausschließlich positives Feedback von Schokoladenexperten. In der heutzutage verfügbaren Verpackungsform gibt es die Tafeln von "Soklet" seit April 2017.

 

Soklet-Schokoladensortiment

 

Das Sortiment von Soklet umfasst neben den klassischen Dunkelschokoladen mit einem Kakaoanteil von 82, 70 und 57 Prozent auch zwei unterschiedliche Milchschokoladen (40% und 55%) mit Ghee (traditionelles Butterschmalz in Indien).

Außerdem führte das Unternehmen vor kurzem weitere dunkle und helle Schokoladensorten ein, die mit typisch einheimischen Zutaten wie Kokosnussmilch, gerösteter Kokosnuss, Arabica-Kaffee, Zichorienkaffee, einer aus Nordwest-Indien stammenden Chilli-Sorte (Bhut Jolokia Chilli), Ingwer, Minze oder Kakaonibs veredelt werden.

 

 

Nachhaltiger Kakaoanbau in Tamil Nadu (Südindien)

 

Auf der familiengeführten Plantage von Manoj, die etwa 80 ha groß ist, werden ca. 10.000 Kakaobäume in Mischkulturen zusammen mit Kokos, Muskatnuss und Pfeffer angebaut. Typisch indische Desi-Kühe, die auf den Anbauflächen weiden, inklusive einer zusätzlich betriebenen Fischzucht sorgen für einen geschlossenen Nährstoffkreislauf. Da die Erntemenge aus der Familien-Plantage mittlerweile bei weitem nicht mehr zur Deckung der gesamten Schokoladenproduktion ausreicht, arbeitet "Soklet" ebenso mit mehreren Kakaobauern vom gleichen Dorf sowie weiteren Bauern in der Nähe (Anamalai Hügel) zusammen. Karthikeyan und Manoj kaufen die holistisch und ökologisch kultivierten Kakaobohnen von den Farmern zu fairen Preisen ab und unterstützen ihre Partner gleichzeitig mit agroforstwirtschaftlichen Schulungen mit dem Ziel, Qualität und Produktivität weiter zu verbessern und miteinander harmonisch in Einklang zu bringen. Die Fermentation aller Kakaobohnen erfolgt anschließend auf der neu eingerichteten Fermentationsanlage.

 

Genetische Eigenschaften des indischen Kakaos vom Indira Gandhi Naturschutzgebiet (Tamil Nadu)

 

Die von "Soklet" verwendete Kakao-Sorte basiert auf offen bestäubten und vom Saatgut gewachsenen Pflanzen. Weder Hybridisierung noch Pflanzenveredelung ist hier im Spiel gewesen. Einer DNA-Untersuchung zufolge handelt es sich zu 80% um die Varietät Amelonado, wohingegen den restlichen Anteil Criollo und Trinitario ausmachen. Der ursprüngliche Bestand stammt von einer nahe gelegenen landwirtschaftlichen Universität. Darüber hinaus hat "Soklet" in den letzten drei Jahren ein eigenes Züchtungsprogramm zusammen mit einer Baumschule entwickelt, d. h. Mutterbäume werden eigenständig ausgesucht und Keimlinge aus offen bestäubten Kakaoschoten fortgepflanzt.

Generell gibt es Kakao in Indien seit etwa 400 Jahren, als Briten diese Pflanzengattung von den Philippinen hergebracht haben. Die alten Sorten existieren allerdings längst nicht mehr. Der heute größtenteils in Indien angebaute Hybrid-Kakao ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit des britischen Schokoladenkonzerns Cadbury's mit mehreren landwirtschaftlichen Universitäten in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts.

Als ehemalige britische Kolonie sind in Indien daher verständlicherweise die Schokoladenprodukte von Cadbury's am populärsten.

Die qualitätsbewusste Bean-to-Bar Schokoladenbewegung steckt in Indien noch in den Kinderschuhen. Nach wie vor werden weiterhin von den meisten Einheimischen aus dem Ausland importierte Schokoladen für qualitativ besser erachtet als regionale Ursprungs-Schokoladen aus einheimisch und nachhaltig angebauten Kakaobohnen. Infolgedessen ist in dieser Hinsicht, wie mir Karthikeyan bestätigt hat, noch viel aufwändige Aufklärungsarbeit notwendig, damit indische Kunden nach und nach den wahren Wert und das enorme Potenzial von vor Ort hergestellten indischen Single-Origin-Schokoladen erkennen.

 

Schokoladentest: Tree-to-Bar-Schokolade von "Soklet"

 

Meine Bewertungskriterien:

(A) Duftaromen: 18 / 18 Punkte

(B) Geschmacksaromen: 48 / 48 Punkte

(C) Optik: 3 / 3 Punkte

(D) Schmelz: 3 / 3 Punkte

(E) Zutaten: 18 / 18 Punkte

(F) Nachhaltigkeitseinschätzung: 4 / 4 Punkte

(G) Gesamteindruck: 6 / 6 Punkte

 

Soklet - Indien Anamalai 70%

 

MHD 16/08/2020

Charge: Batch No. 712018

 

Kakaoherkunft: Indien, Bundesstaat Tamil Nadu, Fuß der Anamalai Hügel, Indira Gandhi-Nationalpark, Regal-Plantage der Familie Kumar und weitere Kakaobauern-Partner aus dem gleichen Dorf

Kakaovarietät: ortstypische Kakao-Selektion (80% Amelonado, 20% Criollo/Trinitario)

 

A) Duftaromen: intensive Fruchtnoten (rote Früchte mit fermentierten Fruchtanklägen), Anklänge von Waldhonig, Kefir und Gewürzen, leicht erdig 15/18

B) Geschmacksaromen: zu Beginn dezent erdige Laubnoten, leichte Lakritz-Anklänge, ausdrucksstarke Karamellnote mit nussig-holzigen und kaffeigen Anteilen, dezentes Fruchtfinale (rote Früchte, Zitrusrüchte), Abgang leicht erdig-waldig, kaffeiger Nachgeschmack mit erdigen Anklängen 43/48

C) sehr gut 3/3

D) feinschmelzend 3/3

E) Kakaomasse, Rohrzucker: sehr gut 18/18

F) sehr gut: nachhaltiger Permakultur-Anbau, Tree-to-Bar Produktion direkt in Indien, Kakao aus Familien-Plantage inklusive sozial und nachhaltig vorbildlicher Kooperation mit Kakaobauern vor Ort 4/4

G) Gesamteindruck 6/6

 

Gesamtpunkte: 92/100

 

Fazit: Schon alleine anhand der Tatsache, dass es sich um eine authentische und nachhaltige Tree-to-Bar Schokolade aus Indien handelt, reicht aus, um diese schokoladige Delikatesse als ein Must-Try für jeden Schokoladen-Liebhaber zu deklarieren.

Sie verfügt über ein vielschichtiges und ausdrucksstarkes Aromenprofil, das neben ihrem nussig-karamelligen und kaffeigen Grundcharakter harmonisch von erdigen, würzigen und gut ausbalancierten fruchtigen Noten getragen wird.

Edel-Kakao aus Indien ist nichtsdestotrotz weiterhin ein gustatorisches Unikat. Das könnte sich möglicherweise in den nächsten Jahren ändern. Auf jeden Fall steckt in den in Südindien angebauten Kakaosorten noch viel Potenzial, welches bei weitem noch nicht ausgeschöpft wurde. Daher frage ich mich, was uns erwartet, vor allem was zukünftige indische Schokoladenkreationen vom Bundesstaat Tamil Nadu betrifft. Meiner Meinung nach könnte Indien innerhalb der nächsten Jahre eine ähnliche Entwicklung wie die von Vietnam durchlaufen und schon bald einen vergleichbaren Qualitätsstatus erreichen. Wetten, dass wir in Zukunft immer öfter von Indien-Schokoladen positiv überrascht sein werden?

Bemerkung: Als unparteiischer Schokoladenblogger vertrete ich keine einzelnen Hersteller oder Vertriebe und richte mich nur nach gutem Geschmack und den Werten der Schokoladenhersteller.

Wenn ich Interesse mit meinen Schokoladenempfehlungen geweckt habe, so möchte ich lediglich als Hilfestellung aufzeigen, wo und wie man derartige Schokoladen kaufen kann.

Aktuell sind die indischen Tree-to-Bar Schokoladen von "Soklet" deutschlandweit nur über den Onlineshop des Schokoladenspezialgeschäftes "Feine Schokolade Dressler" erhältlich.