Der deutsche und noch sehr junge Chocolatier Kevin Kugel ist zwar erst seit wenigen Jahren im Bean-to-Bar Bereich aktiv, aber auf Anhieb sehr erfolgreich durch seine akribische und äußerst schonende sowie technisch versierte Herstellungsweise. Am Beispiel seiner stark limitierten Mexiko-Kreation habe ich bereits mit dem ersten Bissen das enorme Potenzial dieses Schokoladenherstellers aus Deutschlands Südwesten erkannt. Der darin verwendete Kakao ist kaum verfügbar und sehr schmackhaft, umso erfreulicher ist daher die Tatsache, dass jetzt auch ein Deutscher sich damit austoben kann und obendrein gleichzeitig in geschmacklicher Hinsicht in der europäischen Topliga mitzumischen beginnt. Da Transparenz sowie ökologische und sozioökonomische Nachhaltigkeit für den Schokomacher sehr wichtig sind, besucht er persönlich die Kakaobauern in den Anbaugebieten auf der Suche nach den bestverfügbaren Kakaobohnen und um enge Kontakte zu knüpfen.
Angesichts des großen Ehrgeizes in Verbindung mit seiner Leidenschaft zur Aromenvielfalt der Kakaofrucht, denke ich, dass von Kevin Kugel in Zukunft noch viele neue interessante Schokoladenprojekte auf uns zukommen werden.
Die Criollo- und Carmelo-Edelkakaos von der renommierten und historisch sowie ökologisch bedeutenden Finca La Rioja in Mexiko gehören zurzeit zu den begehrtesten und seltensten Kakaobohnen der Welt. Da die jährliche Erntemenge sehr gering ist, bekommen nur wenige Schokoladenhersteller die Ehre mit diesem besonderen Rohstoff zu arbeiten. Außer der vor Ort tätigen Schokoladenmanufaktur "Mucho Chocolate" in Mexico City sind mir aus Europa derzeit nur drei qualitätsbewusste Bean-to-Bar Produzenten bekannt, die Zugang zu den aromatisch einzigartigen Bohnen erhalten haben. Darunter befindet sich neben dem Niederländer Mark Schimmel und dem Litauer Domantas Užpalis auch der bereits erwähnte Chocolatier Kevin Kugel aus Nufringen. Seine 80-prozentige Schokoladen-Interpretation ist meiner Meinung nach eine aromatisch bemerkenswert gelungene Kakao-Studie, die mit ihren vielschichtigen und intensiven Fruchtaromen (Waldbeeren, Birnen, Banane, Zitrusfrüchte, Passionsfrucht, rote Johannisbeeren) die charakteristischen Eigenheiten des mexikanischen Edelkakaos auf eine nahezu perfekte Weise wiederspiegelt. Auch die ausgesprochen helle Farbe und der milde Grundcharakter der Schokoladentafel deutet sehr ausdrucksstark auf die Verwendung von sehr seltenen Criollo-Kakaobohnen hin, die wie der Porcelana-Kakao aus Venezuela eine nahezu weiße Farbe haben.
Bilder-Impressionen: Chocolatier Kevin Kugel auf seinen Besuchen in den Kakao-Anbaugebieten seiner Partner:
Galileo-Schokokuchen: Kevin Kugel's Mexiko-Schokolade als Hauptzutat
Kevin Kugel's dunkle Mexiko-Schokolade wurde vor allem im Rahmen einer Galileo-Sendung bekannt, in welcher die rare Kakao-Delikatesse eine bedeutende Rolle gespielt hat. Auch ich selbst wurde erst hierdurch auf diese konkrete Schokoladensorte aufmerksam. Der Chocolatier hat nämlich die Single-Origin-Schokolade speziell für das Pro7 - Format hergestellt, bei dem es sich thematisch um ein Schokokuchen-Duell zwischen dem Galileo-Moderator Jumbo Schreiner und dem Lebensmitteltechniker Christian Lege handelte. Dabei ging es um die Wette, wer den besseren Schokoladenkuchen macht. Jumbo nahm sich vor, einen qualitativ besonders hochwertigen Kuchen mit den bestmöglichen Zutaten, unter anderem mit Kevin Kugel's aromatischer Mexiko-Schokolade, sowie mit der Unterstützung von Lilli Hauser, der amtierenden deutschen Konditorenmeisterin und Vizeweltmeisterin der Konditoren, zu backen. Hingegen ging sein Rivale, der Lebensmitteltechniker Christian Lege, den umgekehrten Weg, indem er mit billigsten Rohstoffen und Zusatzstoffen sowie chemischen Tricksereien einen geschmacklich besseren Kuchen herzustellen versuchte. Was meiner Meinung nach nicht verwunderlich ist, kam der aus hochwertigen Zutaten gemachte Schokokuchen glücklicherweise besser bei den Testessern an. Selbstverständlich wurde der Jury vorher nicht verraten, welcher Kuchen welcher ist.
Dass die Galileo-Folge strategisch gesehen als Werbung sicherlich eine entscheidende Rolle bei der Bekanntheitsteigerung des Chocolatiers und seines neuen Produkts gespielt hat, ist mir sowieso bewusst. Aber ganz unabhängig davon bleibt für mich Kevin Kugel's 80-prozentige Dunkelschokolade dennoch ein probierenswertes Feinschmecker-Produkt, zumal es sich gerade bei der Finca La Rioja um ein besonders nachhaltiges und qualitatives Kakao-Projekt handelt, das bis dato nach wie vor wenigen Schokoladenkennern bekannt ist. Aufgrund der stark limitierten Auflage meine ich zu glauben, dass der dabei betriebene Produktionsaufwand vor allem aus Kevin Kugel's großen Kakao-Leidenschaft herrührt und demzufolge eher als menschliche Naturverbundenheit im Stile der Slow-Food Bewegung zu bewerten ist.
Bean-to-Bar Produktion mit modernen High-Tech Maschinen in Norditalien
Kevin Kugel, der 2013 "Deutscher Chocolatier Meister" wurde und anschließend bei den "World Chocolate Masters" in Paris den siebten Platz erreichte, gründete 2014 in seiner Heimatstadt Nufringen bei Stuttgart seine eigene Chocolaterie, wo er seitdem eine breite Palette von Pralinen, Trüffeln, Nougat- und Marzipanpralinen sowie diverse mit unterschiedlichen Zutaten veredelte Schokoladenprodukte aus hochwertigen Zutaten in Handarbeit herstellt. Besonders beliebt sind vor allem seine halbrunden in unterschiedlichen Farben mit Airbrush besprühten, hochglänzenden Pralinen, die mit einer Ganache-Füllung als Basis inklusive unterschiedlicher Zusätze wie exotische Gewürze (Vanille, Zitronengras, Kardamom etc.) aufgepeppt werden. Bis zu 3000 Pralinen täglich werden in Kevin Kugel's offener Manufaktur hergestellt, und in der Vorweihnachtszeit sind es noch mehr. In dieser Zeit gibt es von ihm auch weihnachtsspezifische Schokoladenkollektionen.
Darüber hinaus fertigt der große Kakao- und Schokoladenenthusiast für besondere Anlässe Kunstwerke aus Schokolade und bietet Workshops und Seminare an, in denen er sein umfangreiches Fachwissen an interessierte Hobby-Chocolatiers und Konditoren weitergibt.
Was seine nach Bean-to-Bar Manier selbst produzierten Ursprungs-Schokoladen betrifft, fährt der Chocolatier immer mindestens zweimal im Jahr nach Norditalien, wo er seit 2015 ein Labor bei "Ideo Tecnica" in der Nähe von Turin für etwa eine Woche mietet und währenddessen mehrere Hundert Kilo Gourmet-Schokolade herstellt. Bei diesem auf innovative High-Tech-Maschinen zur Schokoladenherstellung spezialisierten Unternehmen hat Kevin Kugel eine besonders aromaschonende Produktionsausrüstung zur Verfügung, die unter anderem bei solch weltweit namhaften Premium-Schokoladenherstellern wie Domori, Michel Cluizel oder Guido Gobino erfolgreich eingesetzt wird. Neben den kaum verfügbaren Criollo- und Carmelo-Kakaobohnen aus der Finca La Rioja verwendet der Nufringer aromatischen Arriba-Kakao von der berühmten Hacienda Victoria in Ecuador (auch der norditalienische Gourmet-Hersteller Domori stellt Schokolade daraus her) sowie den gleichsam für seine hohe Qualität bekannten und von einer Bauern-Kooperative ökologisch angebauten Öko-Caribe-Kakao von der Dominikanischen Republik (Silbermedaille International Chocolate Awards) zur Herstellung von Dunkel- und Vollmilchschokoladen. Darüber hinaus bezieht Kevin Kugel eine weitere mexikanische Edelkakao-Sorte von einer Kleinbauern-Kooperative aus El Vado im Bundesstaat Chiapas, woraus er eine pure Dunkelschokolade mit 80 Prozent Kakao und eine 40-prozentige Milchvariation fertigt. Die mexikansiche Milchschokolade hat zudem im Rahmen des European Bean-to-Bar Competition 2018 eine Bronze-Auszeichnung erhalten.
Im Rahmen seiner Unikat-Linie, in der ausschließlich Bean-to-Bar produzierte Schokolade verwendet wird, fertigt Kevin Kugel daraus nicht nur reine Ursprungs-Schokoladen in Tafel- und Plättchenform. Er kreiert mit seiner selbst in Norditalien gemachten Kakaomasse auch Pralinen, die er mit Schokoladenganache füllt. Bei den Bean-to-Bonbon Produkten setzt er als Überzug sowohl 100-prozentige Kakaomasse sowie Vollmilchschokolade mit 35, 40 und 50 Prozent Kakaoanteil mit Kakaobohnen aus Mexiko, Ecuador und der Dominikanischen Republik ein.
Da Kevin Kugel sich beruflich weiterentwickeln und in Deutschland bekannter werden möchte, plant er seine Chocolaterie in die größere Nachbarstadt Sindelfingen zu verlegen. Ab Mitte 2020 soll es dann soweit sein. In Sindelfingen wird der Chocolatier eine größere Produktionsstätte mitsamt gläserner Manufaktur, einem integrierten Café sowie einem Seminarzentrum mit separaten Räumen für Pralinenworkshops und Seminaren zur Verfügung haben. Möglicherweise wird Kevin Kugel anschließend in der neuen Chocolaterie früher oder später seine eigene Bean-to-Bar-Produktion etablieren. So müsste er zukünftig nicht mehr extra nach Italien zur Schokoladenherstellung reisen. Ich vermute, es ist ohnehin nur eine Frage der Zeit, wann Herr Kugel den gesamten Herstellungsprozess für seine Single-Origin-Schokoladen nach Deutschland verlagert. Wann es genau sein wird, das weiß wohl niemand - auch nicht Kevin Kugel selbst, obwohl es sein Traum ist. Die Kosten zur Einrichtung aller notwendigen Maschinen und Geräte vor Ort sind für ihn momentan finanziell noch nicht tragbar.
Schokoladentest: Finca La Rioja 80% Schokolade von "Kevin Kugel"
(A) Duftaromen: 18 / 18 Punkte
(B) Geschmacksaromen: 48 / 48 Punkte
(C) Optik: 3 / 3 Punkte
(D) Schmelz: 3 / 3 Punkte
(E) Zutaten: 18 / 18 Punkte
(F) Nachhaltigkeitseinschätzung: 4 / 4 Punkte
(G) Gesamteindruck: 6 / 6 Punkte
Kevin Kugel - Mexiko Finca La Rioja 80%
MHD Charge 30/08/2019
Kakaoherkunft: Mexiko, Bundesstaat Chiapas, Cacahuatan, Finca La Rioja
Kakaovarietät: alte Criollo- und Carmelo-Varietäten aus Einzellagen
A) Duftaromen: intensives Fruchtbouquet (Birnen, Banane, dunkle Waldbeeren), blumige Rosennoten, dezente Malz-Anklänge 16/18
B) Geschmacksaromen: zu Beginn leichte Tannin-Akzente, dezent malzig und sahnig mit blumigen Rosen-Noten, Hauptteil intensiver Früchte-Mix (Banane, Birne, Pfirsich, Waldbeeren, Johannisbeeren, Passionsfrucht, Zitrusfrüchte) inkl. leichter Joghurt-Anklänge im Hintergrund, Abgang floral-grasig mit dezent bitterer Fruchtnote und leicht adstringierend, langanhaltender Nachgeschmack mit Grapefruit-Akzent 45/48
C) sehr gut 3/3
D) feinschmelzend 3/3
E) Kakaomasse, Zucker, Kakaobutter, Meersalz: sehr gut 18/18
F) sehr gut: direkte Zusammenarbeit mit Kakao-Partner vor Ort, nachhaltiger und qualitätsbewusster Kakaoanbau, alte und seltene Einzellagen-Kakaosorten, technisch innovative Bean-to-Bar Produktion in Norditalien/Turin 4/4
G) Gesamteindruck 6/6
Gesamtpunkte: 95/100
Fazit: Ich schätze Kevin Kugel's limitierte Mexiko-Schokolade mit Kakao aus der Finca La Rioja besonders wegen ihrer angenehm intensiven, aber gut dosierten und vielschichtigen Fruchtaromen, die sehr wohlschmeckend zur Geltung kommen. Gleichzeitig verfügt sie trotz des hohen Kakaoanteils von 80 Prozent nur geringfügige Bitteranteile. Diese erscheinen vor allem zu Beginn und im Abgang im Zusammenspiel mit dezenten bitterfruchtartigen Grapefruit-Akzenten vielmehr im positiven Sinn als eine interessant schmeckende Aromen-Bereicherung. In qualitativer und aromatischer Hinsicht, auch was die nahezu perfekten Schmelzeigenschaften betrifft, stufe ich sie gleichauf mit Mark Schimmel's ebenso hervorragender La Rioja-Interpretation ein. Kevin Kugel's mexikanische Criollo-Carmelo-Kreation gehört definitiv zu meinen Lieblingsschokoladen. Meiner Meinung nach gehört sie verdientermaßen zu den besser schmeckenden Ursprungs-Schokoladen - ganz unabhängig von der medialen Werbekampagne wie z. B. zuletzt durch "Galileo" auf Pro7. Daher ist sie auch in meinem persönlichen Schokoladen-Ranking und ein Must-Try für jeden Schokoladen-Aficionado.
Bemerkung: Als unparteiischer Schokoladenblogger vertrete ich keine einzelnen Hersteller oder Vertriebe und richte mich nur nach gutem Geschmack und den Werten der Schokoladenhersteller.
Wenn ich Interesse mit meinen Schokoladenempfehlungen geweckt habe, so möchte ich lediglich als Hilfestellung aufzeigen, wo und wie man derartige Schokoladen kaufen kann. Kevin Kugel's limitierte 80% Mexiko-Schokolade mit Kakao von der Finca La Rioja sowie alle weiteren Schokoladenprodukte sind deutschlandweit derzeit nur über seinen eigenen "Onlineshop" erhältlich.