Chocolate Tree - Bean-to-Bar Schokoladen aus Schottland

Brexit hin oder her - glücklicherweise ändert die politische Situation nichts an der Tatsache, dass in Großbritannien immer mehr qualitätsbewusste Schokoladenproduzenten entstehen. Auch im hohen Norden der Insel gibt es in Schottland einen derartigen Vertreter, der mittlerweile eine große Fangemeinde aus der ganzen Welt hat. Gemeint ist "Chocolate Tree", ein kleiner schottischer Schokoladenhersteller mit Sitz in Edinburgh, der sich auf Ursprungs-Schokoladen aus hochwertigen und nachhaltig angebauten Edelkakaobohnen spezialisiert. Gegründet wurde die Chocolaterie vom Ehepaar Alastair und Friederike Gower im Jahr 2009. Bean-to-Bar Schokoladen produziert das Unternehmen seit 2012 - inzwischen wird eine ganze Reihe unterschiedlicher Single-Origin-Schokoladen in Dunkel- und Vollmilch-Varianten hergestellt. Das älteste Geschäft, das seit der Unternehmensgründung 2009 existiert, liegt zentral in Edinburgh, in einem Stadtviertel in der Nähe der Innenstadt. Ein weiteres Lokal gibt es in der Stadt Haddington, westlich von Edinburgh. Die neue Produktionsstätte befindet sich in Dunbar, einer Ortschaft an der Westküste Schottlands. Hierzu wurde ein alter, ehemaliger Bauernhof zu einer modernen Schokoladenfabrik umfunktioniert.

"Chocolate Tree" gehört zweifellos zu der Sorte von Schokoladenproduzenten, die einen großen Wert auf Nachhaltigkeit, Biodiversität, Transparenz und soziale Gerechtigkeit (direkter Handel mit fairen, existenzsichernden Preisen) legen. So ist für das schottisch-deutsche Ehepaar ein wichtiger Philosophie-Bestandteil in der Unternehmensführung, auch die Partner-Kakaobauern regelmäßig vor Ort zu besuchen, um im direkten Kontakt zu bleiben und so eine konstruktive und freundschaftliche Vertrauenbasis aufzubauen.

Die schottische Schokoladenmanufaktur kooperiert hauptsächlich mit Kakaobauern-Kooperativen aus Peru, Kolumbien, Belize und Mexiko. Was Mexiko anbelangt, verwendet man Tabasqueno-Kakao aus der Selva Zoque in Südmexiko von indigenen Zoque- und Tzotzil-Stämmen - hierbei handelt es sich um ein ambitioniertes Umweltschutz- und Biodiversitätsprojekt, das von "Original Beans" initiiert wurde und nach wie vor geleitet wird. Darüber hinaus bezieht "Chocolate Tree" authentischen Porcelana-Kakao aus Venezuela sowie ökologischen Edelkakao von Bertil Akesson's Ambanja-Plantage.

Neben den Bean-to-Bar gemachten Ursprungs-Schokoladen stellt das Unternehmen auch Pralinen, Trinkschokoladen-Zubereitungen und veredelte Kuvertüre-Schokoladen her.

Die aromatischen Qualitäten der Single-Origin-Schokoladen, die puristisch ohne Emulgatoren und ohne Vanille-Parfümierung auskommen, sind meiner Meinung nach auf einem sehr hohen Geschmacks-Level einzustufen. Denn sie vereinen fruchtige, würzige, nussige und karamellige Aromen sehr überzeugend. Daher ist es kein Zufall, dass die Schokoladen auf internationaler Ebene mehrfach ausgezeichnet wurden.

Die Schokoladen aus Schottland sind in Deutschland mittlerweile relativ gut verfügbar. Man kann sie beispielsweise in folgenden Onlineshops kaufen: "Xocoatl", "Feine Schokolade Dressler", "Chocolats-de-Luxe", "1001 Sense" etc.

Schokoladentests: Ursprungs-Schokoladen von "Chocolate Tree"

Meine Bewertungskriterien:

(A) Duftaromen: 18 / 18 Punkte

(B) Geschmacksaromen: 48 / 48 Punkte

(C) Optik: 3 / 3 Punkte

(D) Schmelz: 3 / 3 Punkte

(E) Zutaten: 18 / 18 Punkte

(F) Nachhaltigkeitseinschätzung: 4 / 4 Punkte

(G) Gesamteindruck: 6 / 6 Punkte

Gesamtpunkte: 94/100

Fazit: Die 85-prozentige Porcelana-Interpretation von "Chocolate Tree" hat es wahrlich in sich! Schon alleine die Tatsache, dass der schottische Schokoladenhersteller sich getraut hat, eine deutlich kakaohaltigere Version zu kreieren, ist eine positive Bereicherung in der Schokoladenszene. In den meisten Fällen findet man entweder Porcelana-Versionen mit 70, 75 oder 100 Prozent Kakaogehalt vor, aber kaum etwas dazwischen. Darüber hinaus ist das geschmackliche Ergebnis hier nahezu perfekt. Auch ist eine generelle Bitterkeit kaum vorhanden, was sie sehr mild macht.

In geschmacklicher Hinsicht erinnert sie wenig bis kaum an eine typische Porcelana-Schokolade. Ihr Aromenprofil ist überraschenderweise deutlich fruchtiger als man es von dieser seltenen Kakaosorte gewohnt ist. Sie hat zwar einen feinen keksig wirkenden und nussig-rahmigen Grundcharakter, dieser wird aber mit ausdrucksstarken Fruchtnoten (Kirschen, Pflaumen), allen voran von einem dominanten, aber bemerkenswert lieblichen Kirsch-Aroma im Vordergrund, übertrumpft. Auch kommen süßliche und würzige Lebkuchen-Noten zum Vorschein, die zusammen mit den Keks- und Fruchtnoten eine organoleptisch eindrucksvolle Symbiose eingehen. Dass es sich um puren Porcelana-Kakao aus Venezuela handelt, ist nebensächlich, wo doch sie einen komplexen und interessant fruchtigen Charakter zeigt und ohnehin nicht allzu sehr an charakteristisch nussigen "Porcelana" erinnert. Dieses Schoko-Juwel sollte man probiert haben - ein unvergessliches Kakao-Highlight für anspruchsvolle Feinschmecker! Übrigens: Im Hardcore-Bereich über 80 Prozent Kakaoanteil gehört sie aus meiner Sicht zu den besten Ursprungs-Schokoladen der Welt.

Gesamtpunkte: 93/100

Fazit: Auch die 70% Peru-Schokolade mit besonderen Kakaobohnen aus dem Dorf Chililique ist aromatisch sehr gut gelungen. Sie verfügt über einen wohlschmeckenden Nuss-Nougat-Grundton, in welchen auf eine harmonische Weise würzige und karamellige Akzente sowie eine prägnante Fruchtigkeit integriert werden. Die Fruchtnoten, die ausgesprochen marmeladig wirken, zeigen sich vor allem in Form von roten Früchten und Zitrusfrüchten. Diese fruchtbetonte Schokolade, die von nussigen und würzigen Akzenten getragen wird, spiegelt meiner Meinung nach sehr überzeugend den charakteristischen Stil von "Chocolate Tree" wieder - eine perfekte Verschmelzung von "Frucht", "Nuss" und "Würze"!

Gesamtpunkte: 94/100

Fazit: Es ist erstaunlich, wie aromatisch bereits eine dunkle Milchschokolade mit 50% Kakaoanteil sein kann! Das, was die Peru-Chililique-Milchvariante zur Schau stellt, ist meines Erachtens eine Weltklasse-Meisterleistung. Sie verfügt über komplexe Noten von Sahnekaramell, weihnachtlichen Lebkuchen-Gewürzen und fruchtigen Marmeladen-Noten (Beeren, Zitrusfrüchte, Maracuja), die zusammen eine faszinienerende, nicht zu süße Geschmacks-Explosion ergeben. Dadurch, dass der Milchpulver-Anteil bei 25% vergleichsweise hoch angesetzt ist, ist nur 25% Rohrzucker enthalten, was ihr mehr Spielraum zur Entfaltung des Kakao-Aromas zulässt. Und obwohl prozentual gesehen die aromatragenden Kakaoabohnen nur ein Viertel der Gesamtzutaten ausmachen, kommt ein derart beeindruckendes Ergebnis zustande! Chapeau! Meiner Meinung nach hat sie einen Platz in der Topliga der weltbesten Milchschokoladen verdient.

Gesamtpunkte: 94/100

Fazit: Die 60-prozentige Peru-Milchschokolade mit seltenem Maranon-Kakao ist qualitativ etwa gleichauf mit der 50%-Chililique-Sorte, wobei "Chililique" meines Erachtens aromatisch etwas interessanter einzuordnen ist. Die Maranon-Schokolade hat einen intensiven Milchkaramell-Charakter, der sie zusammen mit Noten von Keks, Rahm sowie leichten rauchig-ledrigen Anklängen und prägnanten Fruchtnoten mit Joghurt-Anklängen (rote Früchte: Kirschen, rote Beeren) zu einer komplexen und hochwertigen Kakao-Studie machen lässt.

Gesamtpunkte: 90/100

Fazit: In aromatischer Hinsicht, vor allem in Bezug auf die Tatsache, dass es sich hier eigentlich um seltene und aromareiche Kakaobohnen von indigenen Bauern aus Mexiko (Region Selva Zoque) handelt, schmeckt diese Schokolade vor allem im Vergleich zu den übrigen Single-Origin-Schokoladen von "Chocolate Tree" enttäuschend einfach. Ein möglicher Grund, warum das so ist, könnten die hinzugegebenen Azteken-Gewürze sein, die die Kakaoaromen derart stark überdecken, dass vom Kakao noch kaum etwas zu schmecken ist. Außerdem wurde die Schokolade nur sehr grob vermahlen (vergleichbar mit dem sizilianischen Modica-Stil), sodass Zuckerkristalle und Kakaopartikel deutlich spürbar sind - auch diese Verarbeitungsmethode wirkt sich entsprechend auf das Gesamtresultat aus. Alles in allem ist die 80-prozentige Mexiko-Schokolade auf keinen Fall eine schlechte Schokolade. Ihr geschmacklicher Fokus liegt allerdings eindeutig auf der hier verwendeten Gewürz-Mischung nach Azteken-Art. Vielmehr soll mit diesem Produkt aufgezeigt werden, was unter mexikanischer Schokoladen-Tradition - grob vermahlen und mit Gewürzen - zu verstehen ist. Wie in der süditalienischen Stadt Modica auf Sizilien sind auch in Mexiko wenig verarbeitete Schokoladen mit einer körnigen Struktur fester Bestandteil einer alten kulinarischen Kultur. Wer zum Vergleich das aromatische Potenzial des mexikanischen Tabasqueno-Kakaos mit seinen prägnanten Noten von säurehaltigen Beeren und Kokosmilch kennenlernen möchte, sollte zu einer puren dunklen Version ohne zusätzliche Zutaten zugreifen. In dieser Hinsicht ist man beispielsweise mit der 88-prozentigen Schokoladen-Interpretation von "Original Beans" bestens bedient. Meines Wissens war die Original Beans-Version wahrscheinlich die weltweit allererste Ursprungs-Schokolade, die mit diesem Mexiko-Kakao hergestellt wurde. Wenn auch "Chocolate Tree" eine pure Mexiko-Schokolade kreieren würde, z. B. als klassische 70 - 75 Prozent-Variation, wäre das sicherlich bereichernd.

Gesamtpunkte: 91/100

Fazit: Auch bei dieser 70%-Schokoladen wurde mexikanischer Tabasqueno-Kakao aus dem "Selva Zoque" Gebiet verwendet. Die Kakaobohnen wurden jedoch zusätzlich in Mezcal, einem traditionellen Agavenschnaps aus Mexiko, getränkt. Dadurch hat der Kakao den typischen Geschmack dieser Alkoholspezialität aufgenommen. Neben einer charakteristischen Agavensüße zeigen sich hier vor allem ausdrucksstarke rauchige und alkoholische Akzente, die unterstützend von Noten fermentierter Früchte begleitet werden. Die Schokolade enthält auch Kakaonibs, was ihr mehr Biss und einen wilderen Kakao-Charakter verleiht. In aromatischer Hinsicht ist die Schokolade zwar etwas Besonderes, aber wegen des meines Erachtens zu penetranten Rauch-Aromas relativ speziell und sicherlich nicht jedermanns Sache. Von daher ist sie wohl eher für Menschen geeignet, die die Kombination aus dunkler Schokolade und rauchigem Alkohol mögen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Whisky-Kenner an ihr Gefallen finden könnten.

Bemerkung: Als unparteiischer Schokoladen-Blogger vertrete ich keine einzelnen Hersteller oder Vertriebe und richte mich nur nach gutem Geschmack und den Werten der Schokoladenhersteller.

Wenn ich Interesse mit meinen Schokoladenempfehlungen geweckt habe, so möchte ich lediglich als Hilfestellung aufzeigen, wo und wie man derartige Schokoladen kaufen kann.

Die Schokoladen von "Chocolate Tree" sind in Deutschland mittlerweile relativ gut verfügbar. Man kann sie beispielsweise in folgenden Onlineshops kaufen: "Xocoatl", "Feine Schokolade Dressler", "Chocolats-de-Luxe", "1001 Sense" etc.