Schokolade - das bittere Geschäft : neue Kakao-TV-Reportage

Schokolade – das bittere Geschäft“: Der neue Kakao-Dokumentationsfilm (ab jetzt in der ZDF Mediathek online abrufbar und sehr sehenswert, da er die aktuelle Lage in der Elfenbeinküste umfassend präsentiert) des französischen Investigativjournalisten Paul Moreira deckt auf - wie bereits vor 10 Jahren der Journalist Miki Mistrati mit seiner international aufwühlenden Investigativ-Dokumentation „Schmutzige Schokolade“ -, dass in der Elfenbeinküste Kinder- und Sklavenarbeit nach wie vor Gang und Gäbe sind. Auch Umweltschutz und Transparenz spielen immer noch keine Rolle. Anscheinend gab es innerhalb des letzten Jahrzehnts – vor allem in Westafrika – diesbezüglich wenig Fortschritte. Es hat sich kaum etwas Gutes getan, was sehr traurig ist. Aufgrund der komplett fehlenden Transparenz bei den Kakaolieferketten, weiß man fast nie (z. B. die in der Reportage dargestellte ivorische Kooperative „COOPAWEB“, welcher 2017 ihr Fairtrade-Zertifikat aberkannt wurde - übrigens: mehr essenzielle Informationen zum Thema "fair gehandelter Kakao" gibt es unter diesem Link), von welchen Bauern die Kakaobohnen stammen. In vielen Fällen handelt es sich um illegalen Kakaohandel, d. h. Anbau erfolgt vielerorts auf versteckten Feldern im geschützten Regenwald.

 

Sklaven- und Kinderarbeit ist in Westafrika (Elfenbeinküste) immer noch weit verbreitet

 

Sklaven- und Kinderarbeit ist in Westafrika, besonders in der Elfenbeinküste, dem größten Kakao produzierenden Land der Welt, weiterhin weit verbreitet. Beispielsweise wird eine erschreckend hohe Zahl an Kindern aus Burkina Faso von ihren Eltern (in der Stadt Guiglo) an Besitzer von Kakaoplantagen verkauft. Knotenpunkt der Kinderübergabe ist der Busbahnhof der ivorischen Stadt Guiglo. Sogenannte Schlepperbanden treiben Kinder und Jugendliche aus ärmsten Verhältnissen auf, die sie anschließend für sklavenhafte Feldarbeit ohne Entlohnung einsetzen.

200.000 ivorische Francs, was umgerechnet 300 Euro entspricht, wird für einen minderjährigen Sklaven und dessen jahrelange Arbeit unter den Menschenhändlern in der Elfenbeinküste gezahlt: So viel ist dort ein Kinderleben wert!!!

 

Viele Kinder tragen große Unkrautspritzen auf dem Rücken, oft ohne Atemschutz, und sind so gefährlichen Chemikalien (Unkrautvernichter „Glyphosat“) während der Arbeit permanent ausgesetzt. Gleichzeitig werden riesengroße Urwaldgebiete plattgemacht und an deren Stelle Kakao-Monokulturen angebaut. Ökologisch nachhaltig ist diese Herangehensweise überhaupt nicht. Denn Kakaopflanzen sind auf fruchtbaren Waldboden angewiesen und laugen diesen schnell aus. 20 Jahre später ist ein solcher Boden vollkommen wertlos. Dann wandert man einfach weiter und macht das Gleiche an einer anderen Stelle noch einmal. Auf diese Weise entstehen nach und nach immer mehr unfruchtbare Böden. Umweltschützer bezeichnen diese Form von Kakaonbau als "Kanibalismus". Alleine zwischen 1990 bis 2015 wurden über 90 Prozent der ivorischen Wälder gerodet. Weniger Wald bedeutet weniger Regen – Natur und Landwirtschaft leiden, folglich werden die Menschen immer ärmer.

 

In der Reportage wird vor allem die Arbeitsweise des US-amerikanischen Agrarkonzerns "Cargill", der zu den größten Kakao-Handelsunternehmen der Welt gehört, näher unter die Lupe genommen. Cargill kauft große Mengen ivorischer Kakaobohnen auf, die er anschließend an große internationale Schokoladenhersteller wie Nestle, Mars, Hershey, Lidl etc. weiterverkauft. Das amerikanische Unternehmen zahlt zwar für nachhaltig angebauten Kakao eine Prämie von 50 Prozent, nur leider kommt das Geld bei den Kakaobauern nicht an - sozial und ökonomisch haben die westafrikanischen Landwirte überhaupt keine Vorteile davon. Der Lebensalltag der Kleinbauern und deren Familien wird kein bisschen verbessert. Eigentlich sollte laut den Versprechungen von Cargill jeder Kakaobohnensack mit einem Barcode mit einer GPS-Kennung versehen sein, die die Herkunft des Kakaos bis zum Bauern rückverfolgbar macht. In Ghana sei diese Technik bei Cargill-Partnern etabliert, aber in der Elfenbeinküste wurde diese transparente Handhabung leider noch nicht eingeführt. Kakao von Cargill steckt in vielen Mainstream-Produkten auf der ganzen Welt.

 

Rückverfolgbarkeit ist der Schlüssel zur Beendigung von Kinderarbeit und Waldzerstörung

 

Etelle Higonnet, die Leiterin der Waldschutz-Kampagne „Mighty Earth“ ist, bringt die Problematik auf den Punkt: „All die Probleme – Waldrodung, Sklaverei, Kinderarbeit – hängen mit der ungewissen Herkunft des Kakaos zusammen. Bleibt die Herkunft der Waren im Dunkeln, sieht man nicht, wo und bei wem es Probleme gibt. Jeder versteckt sich. Nur wenn klar ist, wer an wen verkauft, dann zeigt sich, wer verantwortlich ist für ein Kind, einen Fall von Sklaverei oder Waldvernichtung. Man kann das Problem angehen: Rückverfolgbarkeit ist der Schlüssel zu allem.

 

2012 setzt die ivorische Regierung ein Gesetz zur Bekämpfung der Kinderarbeit in Kraft. Ein nationales Komitee arbeitet einen Aktionsplan aus, der die Elfenbeinküste angeblich über 10 Millionen Euro pro Jahr kostet. Im Rahmen dieser Regierungsmaßnahme besuchen Sozialarbeiter Kakaobauernfamilien, um sie bezüglich Kinderarbeit aufzuklären und um den Bauern aufzuzeigen, dass Bildung für eine existenzsichernde Lebensgrundlage ihrer Kinder im Erwachsenenalter essenziell sei. Bei der Frage, wenn die Familien genug Geld hätten, ob die Kinder lieber lernen oder arbeiten würden, hat sich eindeutig gezeigt, dass die Kinder definitiv den Schulbesuch bevorzugen würden. Den Familien fehlt nur leider oft das nötige Geld.

 

Ein Kakaobauer in der Elfenbeinküste verdient weniger als 1 Euro pro Tag

 

Der Netto-Umsatz der Schokoladenindustrie liegt derzeit bei rund 100 Milliarden Dollar pro Jahr, laut der französischen Entwicklungsagentur verdient aber ein Kakaobauer weniger als 1 Euro täglich. Schon 2001 beschlossen die großen Schokoladenfabrikanten Kinderarbeit zu beenden. Händler und Produzenten gründeten deshalb vor inzwischen fast 20 Jahren die Lobby-Organisation „World Cocoa Foundation“, die Sozial- und Umweltstandards im Kakaobereich verbessern soll. Erstaunlicherweise stellt der Paul Moreira während seiner Kakao-Reportage fest, dass es derzeit noch kein Gesetz in der Europäischen Union gibt, welches die illegalen Machenschaften bei der Kakaoproduktion unter Strafe stellen könnte. Einen Hoffnungsschimmer gibt es aber: Die finnische Europa-Abgeordnete (Europäisches Parlament) arbeitet aktuell mit den Grünen an einem Aktionsplan, der die Kinderarbeit und die Entwaldung beenden soll.

 

Im Jahr 2019 schließen sich Ghana und die Elfenbeinküste zusammen, um gemeinsam den Kakaopreis festzulegen, ähnlich wie bei den OPEC-Staaten beim Öl. Dadurch soll das Einkommen der Kakaobauern um 30 Prozent steigen, d. h. 30 Cent pro Tag und Familie mehr als bisher. Das ist nicht viel mehr. Auf die Frage, wann und wie wir es als Gesellschaft schaffen, die Lebensbedingungen der Menschen, die in Westafrika in der Landwirtschaft (z. B. Kakao usw.) tätig sind, nachhaltig und signifikant zu verbessern, habe auch ich keine Lösung. Wegen der mächtigen und einflussreichen Lobby-Arbeit von internationalen Kakao- und Schokoladenkonzernen werden politische Gesetzesveränderungen – idealerweise auf globaler Ebene - hin zu einer sozial-ökologischen Wirtschaftsweise wie schon in den vorherigen Jahrzehnten eine gewaltige Herausforderung sein wird.

Übrigens: Die aktuelle Corona-Pandemie könnte man als eine Art Symptom bezeichnen, weil sowohl ein Zusammenhang zum Klimawandel als auch zum kapitalistisch orientierten Wirtschaftsmodell ohne Rücksicht auf Mensch, Natur und Ressourcen besteht.