Schokolade & Kakao professionell beurteilen

Der ultimative Test-Guide für Schokolade und Kakaobohnen

 

Geschmack und Qualität von Schokoladen werden oft nur subjektiv betrachtet. In diesem Artikel findest du alles, was du benötigst, um Schokoladen auf eine professionelle Weise objektiv und vorurteilsfrei beurteilen zu können. Mit folgender Anleitung möchte ich dich auf deinem Weg zum Profi- Schokoladentester Schritt für Schritt so gut wie möglich unterstützen. Werde Schokoladen-Tester – ich wünsche dir viel Spaß und Neugierde beim Lesen.

 

Inhaltsverzeichnis:

 

1. Relevanz der Aromen-Wahrnehmung und Beurteilung speziell für Kakao und Schokolade

 

a) Intensive Geruchswahrnehmung essenziell für ein allumfassendes Gesamtbild, d. h. weitere Aromenwahrnehmung baut auf Fähigkeiten der Nase auf (Geruchssinn ist in der Lage, tausende unterschiedliche Aromen zu erkennen)

 

b) Geruchs- und Geschmackssinn synergetisch miteinander verbunden

 

c) Geschmacksknospen auf Zunge: 5 Geschmacksempfindungen (süß, salzig, bitter, sauer, Umami)

 

d) Mundgefühl im Gaumen: unterschiedliche physikalisch-gustatorische Empfindungen auf Zunge und Gaumen

 

e) Parameter bei Geschmacksbeurteilung: Intensität, Komplexität, Harmonie und die Länge der auftretenden Aromen (Aromen-Qualität)

 

2. Objektive Herangehensweise zur Geschmacks-Identifizierung von Schokolade und qualitative Einordnung

 

a) Basisgrundlage: Verständnis und Erkennen von positiven Aromen-Qualitätseigenschaften: harmonische Verbindung von Ausdrucksstärke, Vielschichtigkeit, Milde und langanhaltendem Nachgeschmack

 

b) 5 international anerkannte Haupt-Geschmacks-Aromagruppen definiert: fruchtig, erdig, würzig, melassig, kakaoig

 

c) Aromen-Grundgerüst als Hilfestellung: häufig vorkommende Aromenverbindungen in Ursprungs-Schokoladen

 

d) Erkennen von Fehlaromen: diverse Fehler beim Kakaoanbau (einfacher Konsumkakao, Überfermentation, Unterfermentation, Schimmel, Schmutz) und in der Schokoladenherstellung (Überröstung, zu starke Adstringenz, Bitterkeit und Säure durch Unterröstung und/oder zu kurzen Vermahlungs- und Conchier-Prozess, Textur spröde durch falsches Temperieren, schwerer Schmelz, schwache Aromenausprägung durch z. B. prozentuell und physikalisch nicht stimmige Balance zwischen Kakaomasse, Kakaobutter und Zucker etc.)

 

e) Anwendung von unterstützenden Hilfstools zur Aromenbeschreibung: Aromaräder oder Diagramme angelehnt an Methodik in Wein- und Kaffee-Verkostung; z. B. Geschmacks-Projektionskarte von International Institute of Chocolate Tasting

 

3. Essenzielle Aspekte bei professioneller Schokoladen-Beurteilung in der Praxis

 

a) Optischer Zustand

 

b) Farbton

 

c) Knackverhalten

 

d) Röst-Stil und Röst-Stärke erkennen

 

e) Aromen-Qualität in Bezug auf organoleptische Eigenschaften

 

f) Schmelzeigenschaften

 

g) Mundgefühl

 

h) Qualitäten des Nachgeschmacks

 

i) Fehlnoten (jeder Art)

 

j) Blindverkostung für mehr Objektivität

 

4. Hilfreiche Praktiken zur besseren Wahrnehmung von Aromen in Schokolade

 

a) beim Sehen: auf helle Flecken oder Zuckerkristalle achten

 

b) beim Hören: auf prägnantes Knackgeräusch achten

 

c) beim Riechen: ausreichend lange (mindestens 30 Sekunden) und mit Atmung unterstützen; saubere, geruchsneutrale Hände

 

d) beim Schmecken: vor Beginn auf neutralen Gaumen achten (d. h. größerer Abstand zu letzter Mahlzeit, Kaffee, scharfen Gewürzen); langsam im Gaumen schmelzen lassen und immer wieder Ein- und Ausatmen bewirkt deutlichere Hervorhebung der Aromen wegen Kontakt mit Sauerstoff – daher: beim Schokoladenverkosten ist Schmatzen erlaubt

 

e) beim Nachgeschmack: je hochwertiger die Schokolade, desto langanhaltender, milder und geschmacklich angenehmer ist Nachgeschmack; andersherum: je bitterer und adstringierender oder generell geschmacklich unangenehmer der Nachgeschmack, desto minderwertiger ist die Qualität

 

5. Bewährte Verkostungs-Methoden mit anderen populären Genussmitteln

 

a) Wein

 

b) Kaffee

 

c) Tee

 

d) Käse

 

6. Internationales Kakaobohnen-Standard-Testverfahren bei Kakaobohnen und Kakaomasse

 

a) Analyse von physischen Eigenschaften (Kakaobohnen roh)

 

b) Analyse von organoleptischen Eigenschaften (Kakaobohnen roh)

 

c) Problemstellung/Herausforderung: qualitätsmindernde Umwelt-/Schadstoffprobleme wie v. a. erhöhte Cadmium-Konzentrationen

 

d) Analyse von organoleptischen Eigenschaften in kurz gerösteter und kurz vermahlener Kakaomasse (mit entsprechend festgelegten Parametern und Standards)

 

7. International anerkannte Bewertungs-Systeme – ursprünglich aus Weinbewertung

 

a) 100-Punkte-Schema von Robert Parker: am gebräuchlichsten auch außerhalb von Weinbewertung (50 Punkte Mindestanzahl, Aussehen max. 5 Punkte, Geruch max. 15 Punkte, Geschmack max. 20 Punkte, Gesamteindruck max. 10 Punkte)

 

b) Alternativ 5-Punkte bzw. 5-Sterne-Verfahren oder 20-Punkte-Schema: Jancis Robinson und Michael Broadbent als weltweit bedeutende Vertreter dieser Bewertungsmethode

 

8. Sebastian’s Chocolate-Hunter Bewertungs-Schema inkl. Punkteverteilung (angelehnt an 100-Punkte-System beim Wein) mit Erläuterungen und Begründungen

 

a) Duftaromen: max. 25 Punkte

 

b) Geschmacksaromen: max. 50 Punkte

 

c) Optik: max. 4 Punkte

 

d) Textur: max. 5 Punkte

 

e) Zutaten: max. 10 Punkte

 

f) Gesamteindruck: max. 6 Punkte

 

g) Nachhaltigkeitseinschätzung: separat ausgewertet ohne sensorische Punkteverteilung, Übernahme vom neu konzipierten Nachhaltigkeits-Bewertungssystem von Original Beans (Compliance-Beurteilungskonzept von Original Beans)

 

1. Relevanz der Aromen-Wahrnehmung und Beurteilung speziell für Kakao und Schokolade:

 

Intensive Geruchswahrnehmung essenziell für ein allumfassendes Gesamtbild, d. h. weitere Aromenwahrnehmung baut auf Fähigkeiten der Nase auf (Geruchssinn ist in der Lage, tausende unterschiedliche Aromen zu erkennen)

 

a) Um generell Aromen nicht nur in Schokolade, sondern in allen möglichen Genuss- und Lebensmitteln bewusst wahrzunehmen, ist es wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass in diesem Zusammenhang der Einsatz unserer Sinnesorgane, allen voran der Geruchs- und der Geschmackssinn, unabdingbar ist. Hierbei spielt der Geruchssinn in unserer Nase eine essenzielle Schlüsselrolle, weil nur damit inbegriffen ein allumfassendes Gesamtbild möglich ist.

 

Im Gegensatz zur Zunge kann der Mensch mit der Nase sogar Billionen unterschiedlicher Gerüche erfassen. Im Umkehrschluss bedeutet es, je sensibler die Nase auf derartige Reize reagieren kann, desto ausgeprägter und vielseitiger insgesamt kann das Aromen-Potenzial eines Lebensmittels im Gaumen erlebt werden. Der Geruchssinn bildet in der Aromen-Wahrnehmung die Basis für den gesamten sensorischen Vorgang, der anschließend mit weiteren Sinneswahrnehmungen folgt bzw. parallel stattfindet.

 

Geruchs- und Geschmackssinn synergetisch miteinander verbunden

 

b) Der Geruchs- und der Geschmackssinn können nur gemeinsam vollständig zur Entfaltung kommen. Auf den ersten Blick würde man meinen, wenn man sich mit Sensorik nicht bewusst auseinandersetzt, dass man vor allem nur mit dem Gaumen schmeckt. In Realität ist tatsächlich der Geruch deutlich wichtiger als gedacht.

 

Den größten Teil des Geschmacks nehmen wir erst dann wahr, wenn wir währenddessen ein- und ausatmen.

 

Durch das Einatmen können infolge des Sauerstoffkontakts die im Gaumen empfundenen aromatischen Verbindungen komplexer zur Geltung kommen. Beim Ausatmen hingegen können wir durch den Geruchssinn weitere Aromen-Verbindungen erkennen und somit den Geschmack tiefgründiger beurteilen.

 

Geschmacksknospen auf Zunge: 5 Geschmacksempfindungen (süß, salzig, bitter, sauer, Umami)

 

c) Der Grund für die ausschlaggebende Rolle des Geruchssinns bei der Wahrnehmung von Aromen ist nicht nur dessen Fähigkeit unendlich viele Gerüche zu erkennen, sondern auch die Tatsache, dass man mit den Geschmacksknospen auf der Zunge nur fünf grundlegende Geschmacksrichtungen aufspüren kann: süß, salzig, bitter, sauer und Umami.

 

Da die ersten vier Geschmacksrichtungen sich von selbst erklären, bedarf es höchstens der Erläuterung des Begriffs Umami. Darunter versteht man würzige, deftige oder fleischig schmeckende Noten, wie z. B. im gereiften Käse, in Sojasauce, Fleischspeisen oder getrockneten Tomaten. Wie intensiv ein Lebensmittel nach Umami schmeckt, hängt von zwei wesentlichen Faktoren ab: der prozentuale Anteil der Aminosäure Glutaminsäure, die in unterschiedlichen Konzentrationen praktisch in allen pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln vorkommt, sowie die Verarbeitung von Nahrungsmitteln mittels Fermentations- und Trocknungsverfahren. Wenn ein Lebensmittel einen von Natur aus hohen Glutaminsäure-Anteil besitzt, desto Umami-artiger schmeckt das Produkt, insbesondere wenn es zusätzlich einem Reifungsprozess ausgesetzt wird. Aus diesem Grund haben beispielsweise getrocknete Tomaten besonders würzige, Glutamat-artige Eigenschaften.

 

Mundgefühl im Gaumen: unterschiedliche physikalisch-gustatorische Empfindungen auf Zunge und Gaumen

 

d) Neben Geschmack, der sehr vielfältig in Erscheinung treten kann, gibt es noch weitere Empfindungen, die man im Gaumen mit der Zunge wahrnehmen kann. Dabei handelt es sich um Sinneseindrücke eher physikalischer Art.

 

Nahrungsmittel können beispielsweise trocken, fettig, scharf, betäubend, frisch oder sogar calcium-artig wirken. Kalzium und Fettigkeit spielen zurzeit noch eine umstrittene bzw. noch nicht gänzlich geklärte Sonderrolle, da es inzwischen wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, dass auch diese Komponenten durch den Menschen mit entsprechenden Geschmacks-Sinneszellen auf der Zunge wahrgenommen werden können. Die Eigenschaften reinen Calciums sollen am ehesten mit bitteren und sauren Noten vergleichbar sein.

 

Auch beim Fett gibt es Hinweise, dass dieser Stoff mit der Zunge schmeckbar sein könnte. Im Falle von Schokolade spielen hauptsächlich Fettigkeit und Trockenheit eine maßgebliche Rolle, wenn diese Elemente mit der Zunge in Berührung kommen. So kann es beispielsweise vorkommen, wenn einer Schokolade überdurchschnittlich viel zusätzliche Kakaobutter oder ein alternatives, günstigeres Pflanzenfett wie z. B. Palmfett oder Butterreinfett hinzugefügt wurde, dass ein übermäßig fetthaltiger, ehr negativ konnotierter Eindruck im Gaumen entsteht. Wenn eine ausgeprägte Trockenheit vorhanden ist, die sich pelzig und rau anfühlt, dann handelt es sich um einen stark ausgeprägten Anteil an Gerbstoffen (Tannine). Diese Stoffe kommen natürlicherweise in Pflanzen wie auch im Kakao als Schutzmechanismus vor Fressfeinden vor.

 

Parameter bei Geschmacksbeurteilung: Intensität, Komplexität, Harmonie und die Länge der auftretenden Aromen = Aromen-Qualität

 

e) Ähnlich wie bei der Weinbewertung berücksichtigt man auch als Schokoladen-Sensoriker grundsätzlich vier Hauptparameter, die im Wesentlichen die Aromen-Qualität ausmachen: Intensität, Komplexität, Harmonie und die Länge der in der Schokolade auftretenden Aromen.

 

Mit Intensität ist gemeint, dass die Aromen mit entsprechender Ausdrucksstärke in Erscheinung treten und somit den spezifischen Kakao-Charakter klar und deutlich erkennen lassen.

Komplexität bedeutet, dass das Aromenspektrum aus mehreren und in die Tiefe gehenden Geschmacksnoten besteht, die sich mit der Zeit herausbilden und weiterentwickeln.

 

Harmonie drückt aus, dass alle vorkommenden Aromen in der Gesamtheit geschmacklich positiv aufeinander abgestimmt sind und dass sie weder zu stark noch zu schwach ausgeprägt sind. Wenn eine Schokolade einen charakteristischen Aromen-Schwerpunkt hat, tritt dieser natürlich am deutlichsten in Erscheinung, wohingegen alle weiteren Nebennoten in der Regel in dezenterer Ausprägung parallel mitwirken oder nacheinander hinzukommen. Eine derartige Konstellation kommt besonders bei hochwertigen Ursprungs-Schokoladen oft vor.

 

Auch die Länge bzw. der Nachgeschmack spielt eine bedeutende Rolle, wenn man die Qualität des Kakaos optimal beurteilen möchte. Schmeckt man die Aromen der Schokolade noch viele Minuten, nachdem sie im Gaumen vollständig geschmolzen und geschluckt worden ist, handelt es sich um ein positives Qualitätsindiz.

 

Darüber hinaus ist eine Schokolade umso qualitativer einzustufen, je schwächer ihre bitteren, adstringierenden und holzigen Eigenschaften im Abgang sind. Wenn der Nachgeschmack besonders unangenehm ist, z. B. stark bitter, metallisch, muffig, schimmelig, gummiartig oder kartonig usw., so sind die Ursachen hierfür meistens Fehler in der Ernte, Nachernte oder Produktion. Weltklasse gelungene Schokoladen hinterlassen hingegen einen sauberen und milden Nachgeschmack ohne oder mit höchstens geringfügig vorkommenden Bittertönen und schwacher Adstringenz.

 

2. Objektive Herangehensweise zur Geschmacks-Identifizierung und qualitativer Einordnung

 

Basisgrundlage: Verständnis und Erkennen von positiven Aromen-Qualitätseigenschaften: harmonische Verbindung von Ausdrucksstärke, Vielschichtigkeit, Milde und langanhaltendem Nachgeschmack

 

a) Um bei einer Schokoladen-Bewertung die Aromen objektiv zu identifizieren und einordnen zu können, ist es wichtig, dass man in der Lage ist, positive von negativen Aromen-Eigenschaften zu unterscheiden. Dies bezieht sich nicht nur auf die bereits angesprochenen qualitätsprägenden vier Parameter, sondern auch auf konkret wahrgenommene Aromen. Persönliche Vorlieben sollten im Idealfall vollständig ausgeblendet werden. Eine möglichst objektiv anvisierte Herangehensweise ist nur so möglich. Das Erkennen und Nachvollziehen von solch unterschiedlichen Eigenheiten bildet das Grundgerüst, welches uns ermöglicht, sich mit der Aromen-Vielfalt des Kakaos und auch der Schokolade leichter und präziser auseinandersetzen zu können.

 

Etwa 5 international anerkannte Haupt-Geschmacks-Aromagruppen definiert (z. B. International Institute of Chocolate Tasting): fruchtig, erdig, würzig, melassig, kakaoig (schokoladig)

 

b) Da besonders botanisch und ökologisch hochwertige Kakaosorten, je nach Anbaugebiet, mehrere Aromen besitzen können, und es gleichzeitig weltweit unzählige Tropengebiete gibt, in denen unterschiedliche Kakaosorten (Urtypen aus dem westlichen Teil des Amazonasbeckens, lokale Landrassen und wiederkultivierte Varietäten sowie sehr viele Trinitario-artige Neuzüchtungen) kultiviert werden, so findet sich eine entsprechend große Variationsbreite an Aromen in puren Single-Origin-Schokoladen wieder.

 

Aus diesem Grund haben wissenschaftlich arbeitende Organisationen (z. B. „Cocoa Research Centre“ in Trinidad und Tobago, „International Institute of Chocolate and Cacao Tasting“ von Martin Christy in Großbritannien oder Barry Callebaut in der Schweiz, Nonprofit-Organisation „Fine Cacao and Chocolate Institute“ von Carla D. Martin etc.), die sich mit Kakao beschäftigen, aussagekräftige Geschmacksgruppen definiert, denen sich jeweils viele voneinander unterscheidbare, wenngleich zur gleichen Kategorie gehörende Aromen zuteilen lassen.

 

Es gibt zwar leicht variierende Klassifizierungen in den diversen Instituten, aber im Großen und Ganzen sind die Schlussfolgerungen bezüglich relevanter Geschmacksgruppen relativ vergleichbar. Wenn ich daraus ein Fazit ziehen sollte, um es auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, schlage ich folgende fünf Aromen-Hauptgruppen vor: fruchtig, vegetabil, würzig, nussig, kakaoig-schokoladig.

 

Aromen-Grundgerüst als Hilfestellung: häufig vorkommende Aromenverbindungen in Ursprungs-Schokoladen

 

c) Wenngleich die Aromen-Vielfalt in Schokoladen, abhängig von Ort, Terroir (naturräumliche Standortfaktoren), Kakao-Varietät, angewandter Methoden in den Nachernteverfahren und in der Schokoladenfabrik potenziell sehr groß ist, möchte ich mit einer Art Grundgerüst versuchen, Abhilfe zu schaffen. Mir ist nämlich bei zahlreichen Schokoladen-Tests aufgefallen, dass insbesondere unter den qualitativ gelungenen Ursprungs-Schokoladen immer wieder folgende Aromenverbindungen in mehr oder weniger ähnlicher Form vorkommen: fruchtig-beerig, fruchtig-zitronig, fruchtig-kirschig, fruchtig-rosinig, fruchtig-aprikosig, blumig-orangig, blumig-grasig, kräuterig-erdig, nussig-mandelig, sahnig-rahmig, keksig-kuchenartig, kaffeig-röstig, würzig-zimtig, würzig-pfeffrig, melassig-karamellig, kakaoig-schokoladig.

 

Erkennen von Fehlaromen: diverse Fehler beim Kakaoanbau (einfacher Konsumkakao, Überfermentation, Unterfermentation, Schimmel, Schmutz) und in der Schokoladenherstellung (Überröstung, zu starke Adstringenz, Bitterkeit und Säure durch Unterröstung und/oder zu kurzen Vermahlungs- und Conchier-Prozess, Textur spröde durch falsches Temperieren, schwerer Schmelz, schwache Aromenausprägung durch z. B. prozentuell und physikalisch nicht stimmige Balance zwischen Kakaomasse, Kakaobutter und Zucker etc.)

 

d) Bei Schokoladen-Bewertungen ist natürlich auch zu beachten, dass Schokoladen durch unterschiedliche ernte- oder produktionsbedingte Faktoren ebenso Fehlaromen besitzen können. Derartige Fehler können je nach Intensität mehr oder weniger das positive Aromenbild beeinträchtigen. Unabhängig davon ist es umso essenzieller, dass diese Fehler auch auf eine objektive Weise identifiziert werden, um diese geschmacklichen Makel entsprechend zu beurteilen und in die Bewertung mit einfließen zu lassen. Statistisch gesehen entstehen Fehlaromen am häufigsten während der Nachernteprozesse wie Fermentation und Trocknung. Missgeschicke können aber auch in der Schokoladen-Produktionsstätte passieren.

 

Auch wenn man wenig aromatischen Konsumkakao aus Monokulturen verwendet, kann sich dies in einer Schokolade aromatisch nachteilig auswirken. Die am meisten verbreiteten Fehlaromen-Typen sind allerdings auf eine Über-Fermentation, eine Unter-Fermentation sowie Schimmel zurückzuführen.

 

Im Falle einer Über-Fermentation, wenn die Kakaobohnen zu lange fermentiert wurden, entstehen stinkige Noten, die mit verdorbenen Käse oder geräucherten Schinken gleichzusetzen sind.

 

Bei einer Unter-Fermentation, d. h. die Kakaobohnen wurden zu kurz fermentiert, entwickeln sich adstringierende grüne, pflanzlich-holzige oder kartonähnliche Noten, die an unreife Pflanzen erinnern. Schimmel ist in der Schokolade schmeckbar, wenn verschimmelte Kakaobohnen nicht aussortiert wurden, sondern in den Weiterverarbeitungsprozess unwillkürlich hinzugegeben wurden. Die westafrikanischen Länder Ghana und die Elfenbeinküste sind von diesem Phänomen nach wie vor stark betroffen. Warum es gerade Westafrika ist und nicht Südamerika, ist leicht nachvollziehbar.

 

Da in Ghana und in der Elfenbeinküste die Kakaobauern verhältnismäßig wenig Geld für ihre Kakaobohnen erhalten, – meist deutlich unter Fairtrade-Niveau bzw. auch bei Fairtrade-Preisen kommt bei den Farmern nicht mehr Geld an (wahrscheinlich entweder durch Korruption oder mangelhafte Organisation etc.) – so ist es nicht verwunderlich, dass die Bauern keinen hohen Wert auf Qualität legen. Ein höherer Arbeitsaufwand wie z. B. ein gründliches Aussortieren von Schimmel und technisch einwandfrei durchgeführte Fermentations- und Trocknungsvorgänge rentiert sich den Bauern nicht. Ein weiterer, oft vorkommender Fehlaromen-Typus, der geschmacklich Gummi, Kautschuk, Benzin oder Chemikalien ähnelt, entsteht oft durch Verschmutzung oder Kontamination während des Transports im LKW.

 

Was produktionsspezifische Fehler während der Schokoladenherstellung anbelangt, ist eine zu starke Röstung sicherlich eines der am häufigsten Missgeschicke. Die Schokolade erhält verbrannte, Asche-ähnliche Noten, ähnlich wie bei einem zu lange getoasteten Brot, das schwarz wurde, oder wie bei einem industriell gerösteten Kaffee, der im Vergleich zu Feinkost-Kaffeeröstereien bei signifikant höheren Temperaturen geröstet wird. Wenn Kakao hingegen zu schwach geröstet oder zu kurz conchiert wurde, bauen sich die ungewünschten Geschmacksbestandteile der Kakaobohnen zu wenig ab.

 

Das Resultat ist oft eine auffallend starke Bitterkeit, Adstringenz oder übermäßige Säure. Je minderwertiger die Kakaoqualität ist, z. B. in Bezug auf genetische und sensorische Eigenschaften, desto kräftiger gestaltet man die Röstung. Es kommt darauf an, eine gute Balance zu finden, damit die Schokolade einerseits nicht zu bitter bleibt und andererseits nicht verbrannt wird. Von Natur aus vergleichsweise mild schmeckende Criollo-Varietäten werden deshalb bewusst bei niedrigeren Temperaturen geröstet, weil es keine kräftigen Bittertöne gibt, die man wegbekommen möchte. Deshalb ist es bei milden Edelkakaos nur von Vorteil, wenn die positiv ausgelegten Aromen erhalten bleiben.

 

Unerwünscht bei Schokoladen ist auch, dass sie einen staubigen Beigeschmack haben, der an altes Papier oder an lange gelagerte Holzmöbel erinnert. Das kann passieren, wenn aus welchen Gründen auch immer die Schokolade in der Fabrik verschmutzt wurde oder fremde, unerwünschte Gerüche angenommen hat. Auch eine fehlerhaft durchgeführte Temperierung beeinflusst die Geschmacksqualität des Endprodukts negativ. Es entstehen dadurch zwar keine Fehlaromen, aber das Aromen-Potenzial kann bei einer fehlerhaften, spröden Textur sowie einem mangelhaften Schmelzverhalten nicht optimal herausgelockt werden.

 

Anwendung von unterstützenden Hilfstools zur Aromenbeschreibung: Aromaräder oder Diagramme angelehnt an Methodik in Wein- und Kaffee-Verkostung; Geschmacks-Projektionskarte von International Institute of Chocolate Tasting

 

e) Im Gegensatz zu Wein und Kaffee gibt es auf dem Gebiet der Schokoladen-Beurteilung weiterhin kein international anerkanntes Standard-Verfahren zur Ermittlung von Geschmacksaspekten, welches man einstimmig als eine Art globales Gold-Standard bezeichnen könnte. Sowohl in der Schokoladenindustrie als auch im wissenschaftlichen Bereich gibt es viele unterschiedliche, selbst kreierte Anwendungsinstrumente in Form von Aromarädern oder Netzdiagrammen, die vor allem auf den historisch und sensorisch länger etablierten Erkenntnissen in der Wein- und Kaffee-Branche basieren. Mit anderen Worten: Es handelt sich nicht um eigenständige Tools, die speziell für Kakao und Schokolade von Grund auf erfunden wurden, sondern vielmehr bereits existierende Modelle, die man auf die sensorischen Eigenschaften von Schokolade angepasst hat.

 

Wenn man Aromaräder mit Netzdiagrammen auf Sinn und Zweck vergleicht, stellt man schnell fest, dass jedes der beiden Werkzeuge eine andere Funktion erfüllt. Ein Aromarad stellt im Grunde genommen nichts anderes dar als eine Ansammlung von theoretisch in Schokoladen vorkommenden Aromen, die in Hauptgruppen unterteilt sind und je nach Geschmacksausrichtung mit thematisch passenden Farben versehen sind. Man nutzt es als Schablone bzw. Hilfestellung bei der Identifizierung von Aromen, wenn man eine Schokolade sensorisch beurteilen möchte. Die Ausrichtung in Bezug auf den Nutzer ist somit passiver Natur.

 

Netzdiagramme sind hingegen Instrumente, bei denen der Anwender aktiver ist. Anders als beim Aromarad, wo man nach geschmacklich zutreffenden Aromen sucht und diese auswählt, wird mithilfe eines Netzdiagramms vor allem die Intensität von erkannten Aromen festgelegt. Die Geschmacksrichtungen sind jedoch bereits vorgegeben. Die Handhabung ist einfach zu erklären: indem entlang der Raster Linien länger oder kürzer gezogen werden – je nach Stärke der diversen Geschmäcker. Die meist genutzten Netzdiagramme sind achteckig, die ähnlich wie ein Spinnennetz mit acht linienartigen Hauptachsen und horizontal angelegten Linien ausgestattet sind. Die Linien verbinden schichtartig von innen nach außen die Hauptpfeiler miteinander. Da es nur acht Achsen sind, hat man folglich nur die Auswahl zwischen acht Hauptaromen. Eine präzise Aromenprofilerstellung bis ins kleinste Detail ist durch diesen einschränkenden Faktor nicht möglich. Nach einem ähnlich Prinzip funktioniert das sogenannte „filled pie slices“- Rad, eine neue, alternative Visualisierungweise, die ebenso darauf ausgerichtet ist, die Intensität der vorkommenden Aromen zu beurteilen. Dabei wird das Rad mit unterschiedlich langen Kuchenstücken gefüllt. Je nach Stärke der vorzufindenden Geschmacksnoten sind die einzelnen Elemente größer oder kleiner gestaltet bzw. in die Länge gezogen oder verkürzt.

 

Zahlenmäßig können mit einem Aromarad deutlich mehr Aromen dargestellt werden. Grafisch sieht ein Aromarad wie eine Verschmelzung aus Roulette-Rad und einem runden, in viele Stücke aufgeschnittenen Kuchens aus. Die vielen kuchenartigen Einzelteile präsentieren die verschiedenen Aromen. Für einen geordneten Überblick fungiert das Prinzip, dass ähnliche Aromen, die zu der gleichen Hauptkategorie gehören, mit übereinstimmenden Farbtönen versehen sind. Aromen, die einer anderen Geschmacksgruppe angehören, haben wiederum ein anderes gemeinsames Farb-Charakteristikum. So sind beispielsweise Rottöne typisch für rote Früchte und Beeren und für blumige oder grasige Noten wiederum grünliche Farben.

 

2018 hat Barry Callebaut, einer der größten Schokoladenkonzerne der Welt, ein abgewandeltes Aromarad konzipiert. Ziel war, das Instrument praktikabler zu machen und an die sensorischen Gegebenheiten von Schokolade besser anzugleichen. In dem Konzept des Schweizer Schokoladenproduzenten sind deshalb nicht nur die Hauptaromen-Gruppen mit den dazugehörigen, detaillierteren Einzelaromen dargestellt, sondern auch zwei weitere Elemente hinzugefügt worden, die den Bereich der auf der Zunge zu schmeckenden fünf Geschmacksrichtungen sowie das Mundgefühl in Bezug auf Textur und Trigeminale Wahrnehmung (Sinnesreize durch im Gesicht verlaufende Nerven, z. B. Phänomen des Zusammenziehens der Mundwinkel bei stark ausgeprägter Adstringenz) abdecken. Grafisch gesehen sind im Barry Callebaut-Kreismuster die Aromen auf etwa zwei Drittel der Fläche aufgeteilt. Die zwei neuen Komponenten machen jeweils ein Sechstel des Rads aus. Wie sinnvoll ein derartiges Upgrade ist, muss am Ende wohl jede/r für sich entscheiden. Mit diesem Modellversuch wird zumindest eine sensorisch ausgeweitete Hilfestellung zur Verfügung gestellt, die auch die texturellen Eigenschaften von Schokolade sowie physikalisch-physiologische Auswirkungen auf der Zunge sowie nervenbedingte Wahrnehmungen im Gesichtsbereich mitberücksichtigt.

 

Parallel gibt es auch Unternehmungen, die mit wissenschaftlich fundierten Ansätzen versuchen, ausdrücklich auf Schokolade ausgerichtete Modelle zur Erkennung von Geschmacksaromen zu entwickeln. Ein prominentes Beispiel ist das von Martin Christy gegründete International Institute of Chocolate and Cacao Tasting. Der aus England stammende Schokoladenexperte hat in Zusammenarbeit mit seinem Freund Alex Rast, der als Wissenschaftler an der School of Computer Science der University of Manchester tätig ist, ein auf neuronalen Netzwerken basierendes Projektionssystem entwickelt. Mithilfe computergesteuerter, neuronaler Netze wurden sensorische Schokoladenauswertungen von Geschmacks-Experten nachgebildet.

 

Als Ergebnis sind insgesamt zwei Schokoladenaromen-Projektionskarten entstanden, d. h. es gibt ein Modell für die organoleptisch positiven Aromen sowie eine separate Grafik für die Fehlaromen. Beide Konstruktionen haben eine Ellipsenform (grafisch aufgeteilt in eine kleine Ellipse im Zentrum sowie in zwei äußere kreisförmige Schichten, die insgesamt eine große Ellipse ergeben), die innen drin in insgesamt fünf Geschmacksgruppen unterteilt sind: diese sind in der Mitte und an den jeweils vier gegenüberliegenden Seiten angebracht – etwa nach dem Schema der vier Himmelsrichtungen.

 

Im Unterschied zu allen bisherigen Werkzeugen zur Aromen-Beschreibung befinden sich in diesem Ellipsenmodell alle einzelnen Aromen-Platzierungen auf in organoleptischer Hinsicht neuronal simulierten Stellen. Alle Elemente hängen sensorisch mehr oder weniger voneinander ab. Mit anderen Worten: wenn beispielsweise Mandel-Aroma in der Nähe von Honig-Aroma platziert ist, bedeutet es, dass diese Geschmackskomponenten auf Basis von neuronalen Netzen verwandt sind bzw. Parallelen aufweisen, auch wenn sie subjektiv gesehen nicht unbedingt ähnlich schmecken. Dieses Prinzip betrifft alle auf der Karte vorzufindenden Aromen sowie auch die Fehlaromen auf dem separaten Projektionsmodell. Um die exakten Koordinaten auf der Projektionskarte zu bestimmen, ging Alex Rast folgendermaßen vor: er projizierte sensorische Kakao-Auswertungen von Testern auf ein Koordinatensystem, indem er auf zwei unterschiedlichen Achsen (x-Achse und y-Achse) sowohl das Verhältnis von Tanninstärke zum Säuregehalt als auch das Verhältnis des Röstgrads zum Polyphenolgehalt mitberücksichtigte und in die entsprechenden Felder eintrug. Nachdem jedes singuläre Aroma ihren Platz gefunden hat, entstand wie von selbst anhand ihrer Anordnung (zumindest gedankenmäßig) eine ellipsenartige Grundform, die nur noch visualisiert werden musste.

 

Das von Alex Rast entwickelte Geschmacksprojektions-Modell wurde in ein Software-Programm zur Schokoladen-Bewertung umgewandelt, welches mit einer Vielzahl von komplexen Fragen und Beurteilungsschemata ausgestattet ist. Mithilfe dieser wissenschaftlichen Grundlage möchte man objektive Testergebnisse leichter durchführbar machen. Dieses Werkzeug wird inzwischen seit ein paar Jahren von Schokoladentestern bei den „International Chocolate Awards“ benutzt. Eine universell angewandte Standard-Methode ist es nicht, wobei es sicherlich wegen des wissenschaftlichen Hintergrunds das zurzeit genaueste und bisher einzige Verfahren dieser Art ist.

 

3. Essenzielle Aspekte bei professioneller Schokoladen-Beurteilung in der Praxis

 

Optischer Zustand

 

a) Da es bei professionell durchgeführten Schokoladen-Tests darauf ankommt, dass alle Sinnesorgane zum Einsatz kommen, ist es für eine allumfassende Beurteilung natürlich wichtig, auch mit den Augen zu arbeiten. Denn bereits anhand des Erscheinungsbildes der Schokoladentafel bzw. eines Schokoladenstücks können wir Rückschlüsse hin auf die Qualität ziehen. Wenn wir keine schön glänzende Oberfläche vor uns haben, sondern weiß angelaufene oder helle, kristallartige Stellen erkennen, wissen wir, dass es sich hierbei um Fett- bzw. Zuckerreif handelt. Darunter leidet die Textur und folglich auch die Schmelzeigenschaften. Die in der Schokolade enthaltenen Aromen werden sich nicht mehr so gut entfalten wie in einer perfekt schmelzenden Schokolade.

 

Farbton

 

b) Anhand der Farbe der Schokolade ist es möglich, sowohl die Qualität des verwendeten Kakaos als auch den Röstgrad einzuschätzen – unter der Voraussetzung, dass ein klassischer Standard-Typus mit ca. 70 Prozent Kakaogehalt getestet wird. Wenn die Schokolade eine sehr dunkelbraune oder beinahe schwarze Farbe hat, ist es ein Indiz, dass die Schokolade entweder kräftig geröstet oder zu stark geröstet wurde und bereits verbrannt ist.

 

Daraus lässt sich schließen, dass mit einer höheren Röstung möglicherweise bewusst Fehlaromen minderwertigen Kakaos kaschiert werden wollten. Bei einem Normalbraun oder einem Braun mit rötlichen Tönen handelt es sich in der Regel um eine weit verbreitete Medium-Röstung. Edelkakaos, die hochwertige Aromen besitzen, werden in der Regel nicht mehr als mittelstark geröstet. Eine überdurchschnittlich hellbraune Schokolade ist ein Anzeichen dafür, dass wir es mit einem leicht gerösteten Criollo-Kakao, mit einem aus beinahe weißen Bohnen bestehenden venezolanischen Porcelana-Kakao oder vielleicht mit einem albinoartigen Amelonado-Kakao (z. B. weißer Catongo-Kakao im brasilianischen Amazonas-Urwald) zu tun haben.

 

Knackverhalten

 

c) Wenn die Schokolade beim Brechen ein prägnantes Klickgeräusch von sich gibt, dann ist sie gut temperiert worden. Wir können von einem mindestens soliden Schmelz im Gaumen ausgehen.

 

Röst-Grad erkennen

 

d) Den Röstgrad, den man bereits durch genaue Betrachtung vermuten kann, stellt man spätestens dann fest, wenn an der Schokolade gerochen wurde und sie mit dem Gaumen und der Zunge in Berührung gekommen ist.

 

Eine leicht bis mittel geröstete Schokolade duftet und schmeckt oft deutlich fruchtiger bzw. je nach Kakaosorte auch blumiger oder würziger etc. Mit anderen Worten: je stärker die Kakaobohnen geröstet wurden, desto deutlicher treten Röstakzente im Geruch und im Geschmack in den Vordergrund. Diese zeigen ich zum Beispiel oft in Form von dunkel gebackenem Brot, gerösteten Nüssen, Kaffee, Espresso bis hin zu Kohle, wenn mit der Röstung übertrieben wurde. Die fruchtigen oder anderweitigen Geschmackskomponenten des Kakaos rücken bei steigender Rösttemperatur immer stärker in den Hintergrund.

 

Bei einer stark gerösteten Schokolade erkennt man die Primäraromen des Kakaos noch kaum oder sogar gar nicht mehr, unter der Voraussetzung, dass ein aromatischer Edelkakao verwendet wurde. Bei einem industriellen Konsumkakao aus Westafrika würde voraussichtlich vor allem der Röstungs-Charakter dominieren, welcher von einem an kräftiges Kakaopulver mit grasigen und bitteren Elementen erinnernden Geschmack begleitet wäre.

 

Aromen-Qualität in Bezug auf organoleptische Eigenschaften

 

e) Wie bereits von mir vorhin angesprochen wurde, erkennt man eine gute Aromen-Qualität anhand von vier grundlegenden Parametern: Intensität, Komplexität, Harmonie und Nachgeschmack. Im Idealfall zeigt sich ein vielschichtiges Aromenspektrum, d. h. ein aus mehreren, nacheinander oder parallel ablaufenden Noten bestehendes Profil. Die Aromen sollen sowohl am Geruch als auch im Geschmack gut erkennbar und idealerweise weder zu stark, noch zu schwach ausgeprägt sein. Wichtig ist auch, dass alle vorkommenden Aromen in ihrer Gesamtheit harmonisch interagieren oder ineinanderfließen und von keinen Fehlaromen behindert werden. Ein interessantes Phänomen, dass ich immer wieder auch bei verschiedensten handwerklich gut gemachten Ursprungs-Schokoladen festgestellt habe, ist, dass die Duftaromen zwar in der Regel viele Parallelen zu den später folgenden Geschmacksaromen haben, aber nie komplett identisch sind und manchmal auch ein etwas anderweitig ausgerichtetes Aromenbouquet besitzen.

 

Schmelzeigenschaften

 

f) Auch die Art und Weise, wie die Schokolade schmilzt, spielt eine Rolle, ob und wie gut sich die Aromen im Gaumen entfalten können. Der Faktor Zeit ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Sie sollte weder zu schnell, noch zu langsam wegschmelzen. Auch hier kommt es auf eine gut getroffene Balance an. Wenn die Schokolade optisch in einem einwandfreien Zustand ist, wurde sie folglich gut temperiert. Das ist schon die halbe Miete.

 

Mundgefühl

 

g) Neben Geschmack ist auch das Mundgefühl, das im Gaumen entsteht, ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Das hat natürlich wieder sehr viel mit den Schmelzeigenschaften der Schokolade, aber auch mit dem Vermahlungsgrad, der Kakao-Qualität und den verwendeten Zutaten mitsamt ihrem Verhältnis zueinander zu tun. Die Schokolade sollte sich geschmeidig, aber nicht zu fettig, und auch nicht zu dünn- oder dickflüssig anfühlen.

 

Qualitäten des Nachgeschmacks

 

h) Zur Beurteilung der Qualität des Nachgeschmacks gibt es eine klar definierte Faustregel: Je milder, langanhaltender und aromatischer in positiver Hinsicht der Nachgeschmack ist, desto hochwertiger ist er zu bewerten. Andersherum ist der Nachgeschmack umso minderwertiger, je stärker Bitterkeit und Adstringenz ausgeprägt sind und eventuell zusätzlich unerwünschte Fehlaromen vorkommen.

 

Fehlnoten (jeder Art)

 

i) Fehlnoten, die auf Weiterverarbeitungsfehler in der Ernte, Nachernte, Transport oder Produktion schließen lassen, sind ohne jeden Zweifel ein No-Go in jeder Schokolade. Je nachdem wie stark ein Fehlaroma ausgeprägt ist, kann man es bereits anhand des Schokoladengeruchs problemlos feststellen. Klassisches Beispiel: Eine aus überfermentiertem Kakao gemachte Schokolade riecht sehr penetrant nach schlecht gewordenem Käse oder geräuchertem Schinken.

 

Blindverkostung für mehr Objektivität

 

j) Im Idealfall, aber zumindest auf Wettbewerben, sollte darauf geachtet werden, dass die Schokoladen blind verkostet werden. Das bedeutet, dass die Tester keinerlei Informationen über das Produkt haben und somit weniger in die eine oder andere Richtung beeinflusst werden können. Wenn es sich z. B. um einen international etablierten Produzenten handelt, der seit langem einen guten Ruf hat, so besteht das Risiko, dass die Verkoster die Schokolade unbewusst von vornherein besser bewerten als eine andere Schokolade eines weniger bekannten Herstellers, dessen Qualität auf einem gleichen oder ähnlichen Niveau ist. Ohne die Kenntnis derartiger Details oder Ähnlichem kann mehr Objektivität geschaffen werden.

 

4. Checkliste: Hilfreiche Praktiken zur besseren Wahrnehmung von Aromen in Schokolade

 

a) Beim Sehen: Achte auf eine glänzende Oberfläche bzw. helle Flecken oder ausgeblühte Zuckerkristalle.

 

b) Beim Hören: Achte auf ein prägnantes Knack- bzw. Klickgeräusch beim Abbrechen eines Schokoladenstücks.

 

c) Beim Riechen: Rieche ausreichend lange (mindestens 30 Sekunden) an der Schokolade. Je länger, desto besser, weil ihr die Aromen deutlicher spüren und dadurch mehr von den feineren Nuancen erkennen könnt. Unterstützt diesen Vorgang mit einer bewussten Ein- und Ausatmung. Der Duft wird so definierbarer. Ein Geheimtipp hierzu: An der Anbruchskante können die Aromen am intensivsten wahrgenommen werden. Auch sehr wichtig ist, dass deine Hände sauber und geruchsneutral sind, damit die Schokoladenaromen nicht mit anderen Gerüchen vermischt werden.

 

d) Beim Schmecken: Bevor du mit dem Testen der Schokolade beginnst, achte auf einen neutralen Gaumen. Es ist empfehlenswert, Schokolade nüchtern zu testen. Wenn es aus unterschiedlichsten Gründen nicht möglich sein sollte, so ist ein größerer Abstand von ein paar Stunden zur letzten Mahlzeit auch ausreichend. Vermeide kurz vorher auch den Genuss von geschmacklich intensiven Getränken wie Kaffee, weil sie sehr lange am Gaumen haften bleiben.

 

Sobald sich die Schokolade auf der Zunge im Gaumen befindet, kaue bewusst nicht daran, sondern lasse sie langsam schmelzen. Vorsichtiges Lutschen wie an einem Bonbon ist auch eine geeignete Herangehensweise. Atme währenddessen mehrmals ein und aus: wegen des Kontakts mit Sauerstoff kommt es zu einer Reaktion, die die Aromen markanter hervorheben lässt. Oder anders gesagt: Schmatzen ist beim Testen oder Verkosten von Schokolade erlaubt.

 

e) Beim Nachgeschmack: Je hochwertiger die Schokolade, desto langanhaltender, milder und geschmacklich angenehmer ist der Nachhall. Und andersherum: je bitterer und adstringierender sowie geschmacklich abträglicher der Abgang ist, desto mangelhafter ist die Qualität in ihrer Gesamtheit.

 

5. Bewährte Verkostungs-Methoden mit anderen populären Genussmitteln

 

a) Wein: Die Vorgehensweise bei Verkostung von Wein bzw. bei dessen objektiven Beurteilung ist sehr ähnlich wie im Falle von Schokolade. Das ist selbstverständlich kein Zufall, da die bei Schokoladen angewandte Methodik auf der bereits vorher existierenden, also länger etablierten Weindegustation beruht. So ist es ebenso hier ratsam, kurz vorher nichts zu essen, nicht zu rauchen und keinen Kaffee zu trinken. Ein neutraler Gaumen, den man kurz vorher noch zusätzlich mit einem Schluck Wasser nachbessern kann, ist entscheidend.

 

Natürlich braucht jeder Wein seine eigene ideale Trinktemperatur, die zwar immer unter der Zimmertemperatur liegt, je nach Weinsorte aber unterschiedlich ist. So wird z. B. für einen sehr leichten Weißwein eine kühlere Temperatur gewählt als für einen körperreichen Rotwein mit prägnantem Tanningehalt. Die allgemeine Regel hierzu lautet: Je mehr Säure, Tannine und Bitterstoffe ein Wein hat, desto wärmer soll er sein. All das hängt mit dem Ziel zusammen, Gefälligkeit und Aromen-Hervorherbung harmonisch in Einklang zu bringen, damit die organoleptischen Qualitäten der jeweiligen Weine am besten zur Geltung kommen können.

 

Bevor der Wein in ein passendes Glas eingeschenkt wird, muss er in einen anderen Glasbehälter umgefüllt werden. Bei älteren Weinen heißt der Vorgang Dekantieren und bei jungen Weinen Karaffieren. Es gibt zwei unterschiedliche Gründe, warum dies vor der Verkostung gemacht wird: Den älteren Wein befreit man so vom Bodensatz, indem man hierzu eine schlanke, hohe Karaffe zum Umfüllen nimmt. Beim jungen Wein nutzt man hingegen eine bauchige Karaffe, um mithilfe von Luft die Aromen zur Entfaltung zu bringen. Danach kann das Weinglas mit dem zu verkostenden Wein aviniert werden, d. h. das Glas wird mit etwas Wein ausgespült, um anhaftende Gerüche oder Rückstände von Spülmittel oder Staub zu eliminieren. Das im Anschluss mit Wein befüllte Glas wird am Fuß oder Stiel gehalten, geschwenkt und dessen Farbton in Augenschein genommen.

 

Als Faustregel gilt: Je dunkler der Weißwein, desto reifer ist er. Und je heller der Rotwein, desto höher ist sein Alter. Danach wird das Glas nochmals geschwenkt und mit der Nase am Wein mit mehreren Atemzügen gerochen. Indem der Wein kurz geschlürft und im Mund behalten wird sowie gleichzeitig mit leichten Kieferbewegungen quasi gekaut bzw. gerollt wird, können die Aromen am besten beurteilt werden. Das Schlürfen bewirkt, dass Sauerstoff in den Gaumen gelangt und wie bei der Schokoladen-Degustation einen besseren Zugang zum Aromen-Spektrum ermöglicht. Professionelle Verkoster, die viele Weine nacheinander testen, spucken den Wein wieder aus. Wenn man als Privatperson einen Wein oder nur wenige probiert, ist Ausspucken natürlich nicht notwendig. Und wenn ein Wein besonders gut schmeckt, dann will man ihn sowieso lieber herunterschlucken.

 

Während der Degustation wird auf vier relevante Qualitätskriterien geachtet, was die im Wein festgestellten Aromen betrifft: Intensität, Komplexität, Harmonie und Nachgeschmack. Um den Abgang leichter beurteilen zu können, nimmt man noch einen zweiten Schluck. Wenn man dabei zusätzlich sanft durch die Nase ausatmet, erkennt man den Nachgeschmack noch eindeutiger. Wenn mehrere unterschiedliche Weinsorten verkostet werden, beginnt man immer mit den leichtesten Varianten und endet mit den kräftigsten: z. B. Weißwein vor Rotwein, trockener Wein vor süßem Wein, junger Wein vor älterem Wein oder günstigerer vor teurerem Wein.

 

b) Kaffee: Die Verkostungsweise beim Prüfen und der Bewertung der Qualität von Kaffee kennt man als sogenanntes „Cupping“. Diese Begriffsbezeichnung ist auf das englische Wort „cup“, auf Deutsch „Tasse“, zurückzuführen, weil die Kaffees in Tassen getestet werden.

 

Unabhängig vom Ort der Verkostung, ob direkt im Anbaugebiet beim Kaffeefarmer, beim Importeur oder in der Kaffeerösterei, ist es unbedingt wichtig, dass konkrete Standards beim Cupping festgelegt werden. Mit standhaften Parametern können Abweichungen präzise festgestellt werden, wenn mehrere Chargen oder Sorten probiert werden.

 

Eines der wichtigen einzuhaltenden Indikatoren ist das Verhältnis von Wasser zur Menge des verwendeten Kaffeemehls. In den Anbaugebieten kommt es oft vor, dass gleichzeitig bis zu fünf Tassen von den gleichen Kaffeebohnen geprüft werden, um eine hohe Qualität sicherzustellen. Importeure in Deutschland oder Europa testen in der Regel zwei verschiedene Proben des gleichen Kaffees parallel: das Vorverschiffungsmuster und das Ankunftsmuster. Durch diesen Vergleich können die Händler feststellen, ob beispielsweise transport- oder lagerungsbedingte Qualitätsunterschiede entstanden sind.

 

Auch die Kaffeeröstereien wenden Cuppings an, mit dem gleichen Ziel wie die Importeure: zur Sicherstellung der Qualität, indem nach Abweichungen zwischen mehreren Mustern des gleichen Kaffees geschaut wird. Auch zur späteren Erstellung des zum Kaffee passenden Röstprofils wird mit dieser Methode der Geschmack inspiziert. Der Kaffeeröster verwendet hierzu einen kleinen Probenröster, der maximal 100 Gramm Kaffeebohnen auf einmal rösten kann. Anhand von mehreren Röstprofil-Proben des gleichen Kaffees wird dann entschieden, welcher alle erforderlichen Geschmacks-Erwartungen erfüllt. Zur Aromenbeurteilung verwenden die Verkoster das Aromarad der Specialty Coffee Association. Dieses Modell gilt seit 1995 als international anerkanntes Werkzeug zur Identifizierung von Geschmäckern in der gesamten Kaffeeindustrie. Im Jahr 2016 wurde das Aromarad zum letzten Mal überarbeitet.

 

Wenn professionelle Cuppings durchgeführt werden, sollte man auf die Einhaltung der Standards der Specialty Coffee Association umso mehr achten und diese auf die eigenen Gegebenheiten übertragen. Ziel des Ganzen ist eine gleiche Behandlung aller Proben, die im Rahmen eines Cuppings getestet werden. Bedeutende Kriterien, die dabei mitberücksichtigt werden sollten, sind die folgenden: Art und Größe der Tasse, Verhältnis von Wasser zu Kaffee, Wassertemperatur, Wasserqualität, Mahlgrad, Röstungsweise und Röstungsgrad, Art und Größe der Cupping-Löffel, Größe des Cupping-Raums und der Cupping-Tische.

 

Professionelle Verkoster verwenden von der SCA (Specialty Coffee Association) angefertigte Muster-Formulare, in denen sie sich während des Tests alle relevanten organoleptischen Eigenschaften wie Aroma, Säure, Körper, Mundgefühl und Nachgeschmack notieren. Noch bevor der Kaffee grob vermahlen und mit heißem Wasser aufgegossen wird, ist es für den ersten Eindruck empfehlenswert, sich die ganzen Kaffeebohnen anzuschauen und daran zu riechen. Das gleiche mit dem Kaffeemehl zu wiederholen ist noch sinnvoller, weil durch den Vermahlungsvorgang die Aromen intensiviert werden bzw. deutlicher in Erscheinung treten.

 

Der Kaffee wird mit ca. 96 Grad heißem Wasser aufgegossen und für rund 4 Minuten stehen gelassen. Pro 200 ml Wasser nimmt man ca. 7 Gramm Kaffee. Nach 4 Minuten bildet sich eine Kruste an der Oberfläche, die mit einem Cupping-Löffel (wie ein großer Esslöffel, aber tiefer) gebrochen wird, indem sie zuerst etwas verschoben und zweimal umgerührt wird. Währenddessen riecht man am Kaffee. Der Grund: durch diesen Vorgang werden unter der Kruste angestaute Aromen befreit und sind somit intensiver wahrnehmbar.

 

Während des Riechens beurteilt man das sogenannte nasse Aroma. Wenn noch restliche Kaffeekrümel an der Oberfläche zu sehen sind, werden diese mit dem Löffel abgeschöpft. Nach etwa 6 bis 8 Minuten ist der Kaffee nicht mehr zu heiß, um ihn auch mit dem Mund verkosten zu können. Mit dem Löffel wird etwas Flüssigkeit entnommen und daran geschlürft. Je intensiver und lauter das Schlürfen, desto besser. Mit dieser Probiermethode können sich alle Aromen im gesamten Mundraum verteilen und mit allen Sinneszellen in Berührung kommen. Der Kaffee sollte im Gaumen ähnlich wie beim Ölziehen ein paar Mal hin- und herbewegt werden und anschließend in einen Behälter ausgespuckt werden. Das Ausspucken sorgt dafür, dass man nicht zu viel Koffein aufnimmt, falls viele Proben nacheinander getestet werden.

 

Während der Kaffee sich noch im Gaumen befindet, bewertet man dessen Geschmackseigenschaften so objektiv wie möglich. Dazu gehören aromatische Eigenheiten, Säure, Körper, Ausgewogenheit und Nachgeschmack. Abschließend gibt der Verkoster eine subjektive Bewertung ab, wenn es darum geht, wie der Kaffee insgesamt gefallen hat. Auch bei der Bewertung von Kaffee bedient man sich des bewährten Parker 100-Punkte-Systems. Ab mindestens 80 erreichten Punkten spricht man von Spezialitäten-Kaffee. Die weltweit besten Single-Origin-Kaffees erreichen beim „Cup of Excellence“, einem der prestigeträchtigsten Kaffee-Wettbewerbe der Welt, oft über 90 von 100 möglichen Punkten.

 

c) Tee: Auch bei der Verkostung von Tee ist es essenziell nach einem einheitlichen Schema vorzugehen, um objektive Rückschlüsse aus der Qualität des Getränks und dessen Blättern ziehen zu können. Es gibt mehrere standardisierte Empfehlungen, was das Verhältnis zwischen dem Anteil der Teeblätter und der Menge des Wassers betrifft. Eine gute Richtlinie sind 2 Gramm Tee auf 100 ml kochendes Wasser zu verwenden.

 

Auch in Bezug auf die Ziehzeit gibt es keine einheitliche Anweisung, weil die verschiedenen Teesorten, ob grüner, schwarzer oder weißer Tee, unterschiedlich lange zur Aromen-Entfaltung brauchen. Es wird jedoch empfohlen, den Tee länger als normalerweise ziehen zu lassen. Weil Teeblätter untereinander geschmacklich nah beieinander liegen, erreicht man beim längeren Ziehen unter gleichbleibenden Bedingungen größere Aromen-Unterschiede. Der Tee wird dadurch zwar deutlich bitterer, er soll aber nicht wegen des Genusses getrunken, sondern organoleptisch bewertet werden.

 

Nachdem der Tee in einem Porzellanbecher aufgegossen und mit einem Deckel zugedeckt wurde, wird die heiße Flüssigkeit nach seiner Ziehzeit in eine Probierschale gegeben. Die sensorische Beurteilung bezieht sich nicht nur auf den heißen Aufguss, sondern auch auf die trockenen und die aufgegossenen Blätter. Das Teegetränk wird geschlürft, im Mundraum gehalten und ausgespuckt. Beurteilt werden nicht nur die im Gaumen vorkommenden Aromen und die Textur, sondern mit den Augen auch die Farbe und die Klarheit der Flüssigkeit. Außerdem werden vom separaten trockenen Blatt desselben Tees sowie von der Infusion (aufgegossenes Blatt) der optische Zustand (Größe, Farbe, Erntequalität, Verarbeitung etc.), die Textureigenschaften (weich, widerstandsfähig etc.) und der Geruch (Duftaromen) analysiert.

 

d) Käse: Bei einer Käse-Degustation sollte der Käse idealerweise etwa eine Stunde vorher aus dem Kühlschrank genommen werden, damit er auf Zimmertemperatur gebracht wird. Kalter Käse entfaltet seine Aromen deutlich schwächer. Wenn man mehrere Käsesorten verkostet, kommt es natürlich auf die richtige Reihenfolge an. Man beginnt grundsätzlich immer mit dem mildesten Käse und steigert sich bis zur kräftigsten Sorte zum Schluss. Der Grund für diese Vorgehensweise ist simpel: Andersherum würde der Gaumen viel zu schnell schlapp machen, sodass am Ende die milden Varianten mit ihren delikaten Noten kaum mehr wahrgenommen werden könnten.

 

Außerdem wird von Experten empfohlen, den Gaumen zwischen den einzelnen Käsesorten nicht mit Wasser zu neutralisieren, sondern stattdessen mit einem kleinen Apfelstück. Der Säuregehalt der Frucht hat eine ausschaltende Wirkung auf den käsigen Nachgeschmack im Mund. Und wenn es um das Verkosten selbst geht, riecht man zuerst ausgiebig daran, bevor man anschließend ein Stück in den Mund nimmt. Ein Tipp: Käse wird noch aromatischer, wenn er in Stückchen gebrochen und nicht mit dem Messer geschnitten wird.

 

6. Internationales Kakaobohnen-Standard-Testverfahren bei Kakaobohnen und Kakaomasse

 

Nachdem es im Kakao-Bereich lange Zeit keine global einheitlichen Standards zur Beurteilung von organoleptischen und sensorischen Qualitätsmerkmalen von Kakaobohnen gegeben hatte, haben sich zum ersten Mal 2016 im Rahmen eines gemeinschaftlichen Projektes mehrere internationale Organisationen mit Schokoladenproduzenten und Händlern auf einen standardisierten Leitfaden (berücksichtigt nicht nur organoleptische Eigenschaften, sondern auch Anbaumethoden, Ernte, Nachernte, Lagerung, Transport etc.) geeinigt, welcher in Form von drei öffentlich zugänglichen Dokumenten in Finalform ausgearbeitet und veröffentlicht wurde.

 

Darunter gibt es zwei Publikationen von Darin A. Sukha vom Cocoa Research Centre (Steps towards a harmonized international standard for cocoa flavour assessment – a review of current protocols and practices; Elements of a harmonized international standard for cocoa flaovour assessment – proposal for further consultation) sowie eine separate, aber inhaltlich abgestimmte Version (Cocoa Beans: Chocolate & Cocoa Industry Quality Requirements), die von CACAOBISCO, dem Schokoladen- und Süßwarenverband in der Europäischen Union, herausgegeben wurde.

 

Nach aktuellem Stand gibt es mittlerweile ein weiterentwickeltes Standard-Protokoll (International Standards for the Assessment of Cocoa Quality and Flavour), dass Ende 2018 in Zusammenarbeit mit insgesamt 19 weltweit bedeutenden Akteuren und Experten aus der Kakao- und Schokoladen-Branche (global einflussreiche internationale Kakao-Organisationen wie z. B. das Cocoa Research Centre, Fine Cacao and Chocolate Institute, Alliance of Bioversity International and CIAT, Cocoa of Excellence etc. sowie global agierende Schokoladenhersteller wie Barry Callebaut, Valrhona oder TCHO usw.) erstellt wurde.

 

Das aktuelle Qualitätsmessungs-Verfahren verfolgt das Ziel, sich als weltweit anerkannte und praktizierte Grundbasis bei der Beurteilung von Kakao zu etablieren. Es beruht auf den vier Kernfaktoren „Probenahme, physische Beurteilung, Probenvorbereitung und sensorische Auswertung“, die je in viele einzelne Arbeitsschritte unterteilt werden, weil in jedem separaten Bewertungsbereich mehrere essenzielle Aspekte und Eigenschaften analysiert werden müssen. Bislang sind noch nicht bei allen einzeln zu beurteilenden Prozessen Bewertungs- und Analyse-Kriterien fertiggestellt worden. Bis November 2020 soll das gesamte Protokoll inhaltlich vollständig sein.

 

Folgende einzelne Schlüsselelemente sind laut der „International Standards for the Assessment of Cocoa Quality and Flavour“ bei der Gesamtbeurteilung von Kakao grundsätzlich zu berücksichtigen:

 

Probenahmen von in Säcken verpackten Kakaobohnen sowie von sacklosem Bulk- bzw. Massen-Konsumkakao, äußerliche Analyse inkl. Schnittprobe (Cut-Test) der Kakaobohnen, Beurteilung von Schmutzrückständen und optischen Formmerkmalen sowie Messung des Gewichts pro Kakaobohne, Bestimmung des Feuchtigkeitsgehalts der Bohnen, Messung des prozentualen Kakaobutteranteils, Rösten der Kakaobohnen, Brechen und Entschalen der gerösteten Kakaobohnen, Verflüssigung von Kakaonibs zu Kakaomasse, Verarbeitung von Kakaomasse zu dunkler Schokolade, Temperieren und Eintafeln von fertiger Schokoladenmasse, sensorische Beurteilung von rohen Kakaobohnen, sensorische Beurteilung von Kakaomasse, sensorische Bewertung von fertiger Schokolade, allgemeine Richtlinien zur Bewertung von sensorischen Eigenschaften von Kakao und Schokolade.

 

Im Folgenden werde ich auf die aus meiner Sicht relevantesten Messpunkte in Bezug auf Qualitätsbeurteilung von rohen Kakaobohnen sowie Kakaomasse eingehen – basierend auf den neuesten Standards der „International Standards for the Assessment of Cocoa Quality and Flavour“. Jeden einzelnen Punkt bis ins kleinste Detail im Rahmen dieses Artikels zu thematisieren, würde inhaltlich den Rahmen sprengen und wäre sowieso wenig sinnvoll und auch nicht zielführend, weil wir mit diesem Artikel vor allem einen allgemeinen Überblick verschaffen möchten. Wer noch mehr in die Tiefe dieser Thematik eintauchen möchte, sollte idealerweise die detaillierten Primärquellen nutzen, die man sich auf der Webpage der Kakao-Organisation als registrierter Nutzer herunterladen kann.

 

a) Analyse von physischen Eigenschaften roher, d. h. nicht gerösteter Kakaobohnen:

 

Zuallererst sollte man dem optischen Zustand der Kakaobohnen sowie allen damit zusammenhängenden Einflussfaktoren Beachtung schenken. Im Idealfall befinden sich in einem Kakaosack größtenteils gleichmäßig große und visuell natürlich geformte Kakaobohnen mit intakter Kakaoschale. Mängel wie Schimmel, Schädlingsbefall, gekeimte Kakaobohnen oder strenge, unangenehme Gerüche, die bereits mit den Augen und anhand des Geruchs feststellbar sind, lassen unabhängig von den Ursachen auf eine minderwertige Rohstoff-Qualität schließen.

 

Außerdem sollten möglichst wenige gebrochene Kakaostücke und fremde Bestandteile wie Aststücke, Steine oder andere Gegenstände vorhanden sein. Auch lebende Insekten oder Ähnliches haben in der Nähe von korrekt gelagertem Rohkakao nichts zu suchen. Für die Großindustrie wird empfohlen, mindestens 2 kg Kakaobohnen als Referenzmenge zu nehmen, wenn diese hin auf Schmutz, Fremdmaterial und äußere Defekte überprüft werden sollen. Darüber hinaus sollte der Feuchtigkeitsgehalt der Kakaobohnen unter 7,5 Prozent liegen. Ein idealer Referenzbereich in Bezug auf restlichen Wassergehalt im rohen Kakao ist zwischen 7,5 und 6,5 Prozent.

 

b) Analyse von organoleptischen Eigenschaften (rohe Kakaobohnen):

 

Bereits vor der geschmacklichen Beurteilung kann man die organoleptischen Qualitätseigenschaften von rohen Kakaobohnen relativ umfassend und sicher mittels einer Schnittprobe (Cut-Test) feststellen. Anhand dieses Verfahrens kann man sehr gut Rückschlüsse auf den Fermentationsgrad schließen. Nur bei einer korrekt durchgeführten Fermentation bilden sich die terroir-spezifischen Aromen des Kakaos heraus und gleichzeitig entstehen keine unerwünschten Geschmacksnoten.

 

Dabei wird je nach Kakaomenge eine entsprechende Mindestanzahl an Bohnen (mind. 30 – 50 Bohnen auf einmal) mit einem Guillotine-artigen Gerät aufgeschnitten. Um eine möglichst verlässlich konstante Qualität zu gewährleisten, nimmt man insbesondere bei riesigen Kakaomengen in der Schokoladenindustrie mindestens 300 Kakaobohnen für den Cut-Test. Nachdem die Kakaobohnen halbiert worden sind, sollte man als erstes daran riechen, um deren Aromen oder eventuell vorhandene Fehlaromen von Beginn an besser einordnen zu können.

 

Alle möglichen Mängel wie vor allem Überfermentation und Unterfermentation, aber auch andere Defekte sind alleine anhand der Farbe im Querschnitt gut erkennbar. So sind überfermentierte Kakaobohnen purpurfarben und unterfermentierte Kakaobohnen haben eine kräftig violette Farbe. Wurde der Kakao überhaupt nicht oder fehlerhaft fermentiert, findet man oft eine blaugraue, schiefer-ähnliche Färbung im Inneren der Bohnen. Perfekt fermentierter Kakao ist hingegen schokoladig-braun und verfügt über eine markant ausgeprägte, nicht zu stark ausgebildete Rissbildung, die nur infolge von Fermentation entstehen kann.

 

Je nach Kakaosorte variiert der Braunton, sodass er sowohl dunkler als auch heller sein kann. Weiße bzw. überdurchschnittlich hellfarbene Kakaosorten wie z. B. venezolanischer Porcelana aus der Maracaibo-Region oder Albino-artige Varietäten wie Piura Blanco aus dem Piura-Tal in Peru haben deshalb ein nahezu weißes, cremefarbenes Erscheinungsbild. Weitere Fehler, die man mit bloßem Auge erkennen kann, sind Schimmel, Insektenbefall oder Keimung. Zur Gewährleistung einer hohen Qualität wird darauf geachtet, dass der Anteil an gut fermentierten Kakaobohnen so hoch wie möglich ist und gleichzeitig möglichst wenig ungenügend oder fehlerhaft fermentierte Kakaobohnen vorhanden sind. Was die Mindestmenge an gut fermentiertem Kakao in Stichproben anbelangt, gibt es zwar abhängig von der jeweiligen Anbauregion etwas abweichende Kriterien, in Prozentangaben sind die Vorgaben jedoch relativ ähnlich.

 

Grundsätzlich kann man ab etwa 75 Prozent fehlerfrei fermentierter Bohnen von einer insgesamt guten Qualität sprechen, wenn gleichzeitig neben einem geringen Anteil von weniger gelungen Bohnen ansonsten nur sehr wenige qualitätsmindernde Eigenschaften wie Schimmel oder Insektenbefall vorhanden sind. Aus diesem Grund gibt es zwei Qualitätsabstufungen (ISO 2451 Standard ist neben weiteren Standards der gebräuchlichste und gleichzeitig der strengste): Klasse 1 und Klasse 2. Als Klasse 1 eingestufter Kakao darf nicht mehr als 3 Prozent verschimmelte Bohnen enthalten. Defekte sowie nicht fermentierte (graufarbene) Bohnen sollen die 3-Prozent-Hürde ebenso nicht überschreiten. In Klasse 2 werden maximal 4 Prozent Schimmel, 8 Prozent schiefrige und 6 Prozent generell fehlerhafte Kakaosamen toleriert. Durch die Tatsache, dass man mit dem Cut-Test den Fermentationszustand bereits optisch verhältnismäßig genau beurteilen kann, erhält man zumindest erste, aufschlussreiche Hinweise hinsichtlich der allgemeinen Qualität unabhängig vom bodenbedingten Aromenspektrum.

 

Ein automatischer Garant für aromatisch schmeckenden Kakao ist der Schneidetest jedoch nicht, weil noch viele weitere Faktoren wie Genetik, Anbaumethode oder regionalspezifische Bodenbeschaffenheit einen genauso großen Einfluss auf den Endgeschmack haben.

 

Wenn man dann die geschmackliche Qualität einer rohen Kakaobohne durch Probieren (vorher bitte holzig-bitterschmeckende Schale entfernen) beurteilt, gibt es aus meiner persönlichen Erfahrung grundsätzlich drei bis vier Hauptkriterien, deren organoleptische Auswirkung man im Verhältnis zueinander bei einer solchen Beurteilung mitberücksichtigen kann.

 

Hierzu können wir uns beim Geschmacktest folgende Fragen stellen: Welche Aromen kann ich erkennen und welche davon dominieren? Wie viel natürliche Süße ist vorhanden? Wie intensiv ist der Säuregehalt? Wie stark ist die generelle Bitterkeit? Wie hoch ist die Adstringenz, d. h. Intensität von pelzig-rauen Mundgefühl? Je besser all diese organoleptischen Eigenschaften miteinander harmonieren und je schwächer die subjektiv wahrgenommenen bitteren sowie adstringierenden Bestandteile sind, desto hochwertiger kann die Aromenqualität im Allgemeinen eingestuft werden.

 

c) Problemstellung/Herausforderung: qualitätsmindernde Umwelt-/Schadstoffprobleme wie v. a. erhöhte Cadmium-Konzentrationen:

 

Hier gilt es insbesondere zu verstehen, dass qualitativ minderwertiger Kakao mehr oder weniger auch das Ergebnis von begangenen Fehlern im Anbau, während der Ernte oder im Anschluss erfolgter Nachernteprozesse sein kann. Naturbedingte erhöhte Cadmium-Konzentrationen, die vor allem in Südamerika ein großes Problem darstellen, haben grundsätzlich nichts mit schlechten Kakaoanbau zu tun. Auf Fehler im Anbau oder in der Ernte werden wir hier nicht ins Detail eingehen, weil es zum einen den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, und zum anderen ohnehin bereits vorher an mehreren Textpassagen anderer Unterkapitel darauf ausreichend eingegangen wurde.

 

Eine nicht weniger wichtige globale Herausforderung im Kakao-Sektor, die zwar keinen negativen Einfluss auf den Geschmack hat, aber aus gesundheitlichen Gründen durch die Politik gesetzlich reguliert wird, sind die erhöhten Cadmium-Konzentrationen im Kakao. Von dieser Problematik ist besonders Südamerika betroffen, weil die Kakaopflanzen in vielen Anbaugebieten bedingt durch die vulkanischen Böden von Natur aus mehr Cadmium durch die Wurzeln aufnehmen.

 

Vor allem der Norden Perus sowie bestimmte Regionen in Ecuador, Bolivien und Kolumbien, sind davon am stärksten betroffen. Zufälligerweise handelt es sich leider dabei überwiegend um Orte und Länder, in denen es die größte qualitative Biodiversität hinsichtlich hochwertiger Edelkakao-Sorten gibt. Deshalb wäre es jammerschade und ein riesengroßer Verlust in vielerlei Hinsicht, – insbesondere für die Kakaobauern, weil sie ihre Lebensgrundlage verlieren würden – wenn diese aromatisch und botanisch besonderen Kakaosorten, die obendrein von historischem Wert sind, in Zukunft wegen zu hoher Cadmium-Werte für die Herstellung von sozial und ökologisch nachhaltigen Single-Origin-Schokoladen nicht mehr verwendet werden dürften. Aus diesem Grund werden händeringend agrarwissenschaftliche Lösungen erforscht, um effektiven Methoden zu finden, die den Cadmium-Gehalt in den Kakaobäumen in den am stärksten betroffenen Regionen Lateinamerikas zu senken.

 

So stellte man erst vor wenigen Jahren unter anderem durch Feld-Untersuchungen fest, dass man mit einer Erhöhung des PH-Werts im Boden die Cadmium-Verfügbarkeit nachweislich reduzieren kann. Dies kann gelingen, indem man z. B. die Böden rund um die Kakaobäume mit Kalk behandelt. Ein weiterer, vielversprechender und ebenso ökologischer Ansatz könnte in Zukunft auch mit Pflanzenkohle erzielt werden. Zurzeit wird im Piura-Tal in Peru Pflanzenkohle im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes in Zusammenarbeit mit diversen Kakao-Organisationen und Schokoladenunternehmen experimentell erprobt.

 

Ersten Ergebnissen zufolge scheint man mit Pflanzenkohle den Cadmium-Gehalt von Kakaobohnen um 40 – 80 Prozent reduzieren zu können. Allerdings ist noch nicht klar, ob es sich nur um einen Kurzzeiteffekt handelt oder ob die Auswirkungen auch langfristig bestehen könnten. Man weiß nämlich noch nicht, ob die Kakaopflanzen sich an die neuen Umstände im Laufe der Zeit so anpassen würden, dass sie wieder mehr Cadmium vom Boden aufnehmen würden. Demnächst wird es hierzu mehr stichhaltige Erkenntnisse geben: Mit dem Abschluss der kommenden Ernte in Piura werden im Herbst 2020 realitätsnähere Ergebnisse erwartet.

 

d) Analyse von organoleptischen Eigenschaften in kurz und leicht gerösteter sowie verhältnismäßig kurz vermahlener Kakaomasse (mit entsprechend festgelegten Parametern und Standards):

 

Um Kakaomasse herzustellen, müssen dementsprechend alle im Bean-to-Bar Herstellungsprozess notwendigen Verarbeitungsschritte der Reihe nach befolgt werden. Begonnen wird mit der Kakao-Röstung, die mit einem geeigneten Heißluftofen durchgeführt werden sollte. Als Mindestmenge werden 600 Gramm rohe Kakaobohnen empfohlen, die auf einem gitterartigen, luftdurchlässigen Backblech zur Gewährleistung einer gleichmäßigen Luftzirkulation und Wärmeverteilung horizontal verteilt werden.

 

Je nachdem, um welche Kakao-Varietät es sich handelt und wie die organoleptischen Eigenschaften bezüglich Aromenqualität, Adstringenz und Bitterkeit sind, wird entweder eine helle (112 Grad C), mittlere (120 Grad C) oder dunkle Röstung (130 Grad C) gewählt. Für delikate und verhältnismäßig mild schmeckende Kakao-Sorten, die gleichzeitig ein vielschichtiges Aromen-Bouquet zu bieten haben, wie vor allem die Criollo-, Chuncho- oder Nacional-Varietäten, nimmt man eine leichte Röstung. Bei einer zu kräftigen Röstung hätte man die positiven Geschmacksnoten weitgehend zerstört.

 

Für Trinitario-ähnliche Kreuzungen, die oft mit fruchtigen, exotischen und/oder würzigen Noten versehen sind, wird eine Medium-Röstung empfohlen. Forastero-artige Kakao-Sorten, die keine nennenswerten bzw. besonderen Aromeneigenschaften aufweisen, röstet man hingegen stärker. Auf diese Weise hebt man zumindest intensiver den kräftigen Kakao-Charakter dieser Kakaos hervor. Der Röstvorgang sollte bei jeder der drei Varianten exakt 25 Minuten dauern. Sobald die Kakaobohnen fertiggeröstet sind und aus dem Ofen entnommen wurden, ist es wichtig, dass sie danach innerhalb der nächsten 60 Minuten entschält und in Nibs gebrochen werden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sind die Bohnen nicht mehr zu heiß, um sie direkt mit den Händen zu berühren, ohne dass man Gefahr läuft, sich die Finger zu verbrennen.

 

Generell kann man ab 40 Grad C mit den nächsten Verarbeitungsschritten weiter machen. Wenn man länger wartet, haftet die Schale stärker an den Kakaobohnen, was ein Entfernen aufwändiger machen würde. Das Brechen der Kakaobohnen in kleine Stücke und das Entschalen kann bei kleinen Mengen auch händisch gemacht werden. Dafür benötigt man ein Nudelholz zum Zerquetschen der Bohnen und einen Haarföhn zur Beseitigung der Schalenreste sowie einen Korb oder einen siebartigen Gegenstand, durch welchen übriggebliebener Müll hindurchgleiten kann.

 

Bei größeren Mengen verwendet man selbstverständlich Maschinen, die für derartige Vorgänge konzipiert sind. Sowohl für die Großindustrie als auch für die kleineren Bean-to-Bar Manufakturen gibt es an die jeweiligen Produktionskapazitäten angepasste Modelle.

 

Mit dem Vermahlen des Kakaos zur Kakaomasse im Stein-Melangeur sollte nicht später als 48 Stunden nach Entfernen der Schale begonnen werden, damit eine optimale Aromenentfaltung erzielt werden kann. Alternativ könnte theoretisch eine Kugelmühle mit Mahlkugeln aus Keramik verwendet werden. Der Vorteil: Aromen bleiben besser erhalten, der Mahlvorgang ist kürzer und es findet wegen des verwendeten Porzellans kein Abrieb statt, der im Falle von Stahlkugeln in die Kakaomasse in Spuren gelangen würde. Nachteil: eine professionelle Kugelmühle, auch als Kleinanfertigung, ist deutlich teurer als ein Stein-Melangeur.

 

Bevor die Kakaonibs in den Grinder gegeben werden, sollte man sie sowie die Granitsteine auf etwa 40 Grad erwärmen. Außerdem wird nicht die gesamte Proben-Menge von 600 Gramm Kakaobohnen auf einmal in den Melangeur gesteckt, sondern immer nur portionsweise nach und nach alle paar Minuten eine Menge von ca. 50. Gramm. Während des Mahlprozesses sollte man darauf achten, dass die Temperatur des verarbeitenden Rohstoffs 55 Grad (idealerweise sogar nicht mehr als 50 Grad C) nicht übersteigt, um das Risiko, das unerwünschte verbrannte Noten entstehen könnten, zu minimieren.

 

Sobald die Textur der Kakaomasse eine Partikelgröße von 20 Mikronen erreicht hat, kann der Vermahlungvorgang beendet werden. Zur Bestimmung des Feinheitsgrads verwendet man ein Mikrometer. In der Regel dauert es zwischen 1,5 bis 5 Stunden, bis dieser Mahlgrad erreicht wurde. Die Verarbeitungsdauer hängt immer von den spezifischen Eigenschaften des Kakaos wie Fettgehalt und Fermentationsgrad ab. Die fertige Kakaomasse kann anschließend entweder in Drops- oder Blockform bei etwa 18 Grad gelagert werden.

 

Wenn man dann die Kakaomasse hin auf ihre sensorischen Eigenschaften beurteilen möchte, wird diese auf ca. 48 – 50 Grad C erwärmt und in geeigneten kleinen Bechern in flüssiger Form getestet. Pro Probe nimmt man 1 – 2 Gramm Kakaomasse. In der Praxis von Profis hat sich herausgestellt, dass man Kakaomasse bei etwa 50 Grad besser beurteilen kann, weil auf diese Weise die bestmöglichen physikalischen Bedingungen gegeben sind, bei der die Aromenentfaltung am effektivsten zum Tragen kommt.

 

Außerdem können so eventuell vorhandene Kristallisations-Unterschiede zwischen den einzelnen Proben minimiert werden, weil man das temperaturbedingte Problem mit dem Temperieren durch die höher gewählte Temperatur umgeht. So schafft man sozusagen gleiche, neutrale Bedingungen. Ein zu langes Erhitzen (nicht länger als 5 Minuten) oder Warmhalten sollte jedoch vermieden werden, da die Aromen sich mit der Zeit verflüchtigen können. Ein perfektes Timing spielt eine bedeutende Rolle, umso mehr wenn mehrere Proben getestet werden.

 

Darüber hinaus ist es wichtig neben den unbekannten Kakaomasse-Proben auch eine bereits bekannte, möglichst harmonisch-neutral schmeckende Kakaomasse als Referenz zum Zwecke der Kalibrierung vorzubereiten. Mit dieser Referenz-Probe beginnt man auch, um den Gaumen auf die anschließende Test-Reihe einzustellen. Wie bei klassischer Schokolade wird auch hier zuerst der Becher-Inhalt mit der Nase gerochen bzw. quasi inhaliert und anschließend auf der Zunge und im Gaumen verkostet. Währenddessen achtet man auf alle in Frage kommenden organoleptischen Eigenschaften wie Säuregehalt, Bitterkeit, Adstringenz, Röstgrad, Aromen, Fehlaromen und Nachgeschmack.

 

Die Proben können entweder geschluckt oder ausgespuckt werden. Um die unterschiedlichen Kakaomassen untereinander besser unterscheiden zu können, wird empfohlen, den Gaumen mit lauwarmen Wasser mehrmals und gründlich (mindestens zweimal) auszuspülen. Beim dritten Mal kann das Wasser anschließend geschluckt werden.

 

7. International anerkannte Bewertungs-Systeme – ursprünglich aus Weinbewertung

 

a) 100-Punkte-Schema von Robert Parker:

 

Das 100-Punkte-Bewertungssystem, das vom international angesehenen Weinkritiker Robert Parker etabliert wurde, ist auch jenseits von Weinbewertungen auch beim Kaffee oder Schokolade am gebräuchlichsten. Wenn Weine nach diesem Schema hin auf ihre organoleptischen Qualitäten beurteilt werden, wird folgendes Punkteverteilungs-Prinzip angewandt: 50 Punkte Mindestanzahl, Aussehen max. 5 Punkte, Geruch max. 15 Punkte, Geschmack max. 20 Punkte, Gesamteindruck max. 10 Punkte.

 

b) Alternativ gibt es auch Bewertungsverfahren mit nur maximal 5 zu vergebenden Punkten oder Sternen oder ein 20-Punkte-Schema, das von den Weinexperten Jancis Robinson und Michael Broadbent verwendet wird. Folgende Kriterien, die punktemäßig unterschiedlich gewichtet werden, fließen in die Bewertung ein: Farbe max. 2 Punkte, Klarheit und Reinheit max. 2 Punkte, Geruch max. 4 Punkte, Geschmack max. 7 Punkte, Gesamteindruck max. 5 Punkte.

 

8. Sebastian’s Chocolate-Hunter Bewertungs-Schema inkl. Punkteverteilung (angelehnt an 100-Punkte-System beim Wein) mit Erläuterungen und Begründungen

 

Die Schokoladen bewerte ich angelehnt an das bei Weinbewertungen bewährte Parker-100-Punktesystem, d. h. die 100-Marke ist volle Punktzahl. Bereits die in Deutschland bekannten Schokoladenexperten Georg Bernardini (Buch: Der Schokoladentester 2015) und Peter Berger (Schokoladen-Blog „chclt“) sowie viele anerkannte Experten weltweit rezensieren mehr oder weniger nach einem ähnlichen Prinzip Single-Origin-Schokoladen. Diese Methode kann natürlich auch auf andere süße Produkte, die mit Kakao gemacht werden, angewandt werden – wie z. B. Milchschokoladen, weiße Schokoladen, Fruchtschokoladen, Pralinen oder Nuss-Nougat.

 

Was mein persönlich etabliertes Bewertungs-System betrifft, welches sicherlich nicht perfekt ist, berücksichtige ich unterschiedliche sensorische Kriterien, die aus meiner Sicht ausschlaggebend sind und je nach Wichtigkeit in Bezug auf die Schokoladenqualität von mir punktemäßig unterschiedlich gewichtet werden.

 

Die generelle Nachhaltigkeitseinschätzung wird separat unabhängig von der sensorischen Beurteilung nach einem neu konzipierten Bewertungssystem von Original Beans bewertet.

 

Wie man anhand meiner Punkteverteilung leicht erkennen kann, nehmen die zwei Bewertungskategorien „Duft“, „Geschmack“ und "Aromenqualität 60 Prozent aller zu vergebenden Punkte ein. Aus meiner Sicht sind nämlich bei einer gut gemachten Feinschmecker-Schokolade die aromatischen Eigenschaften, die man mit der Nase riechen, aber vor allem umso intensiver im Mund bzw. Gaumen schmecken kann, am allerwichtigsten. Selbstverständlich ist es genauso wichtig, dass die Schokolade ästhetisch ansprechend aussieht, d. h. nicht kreidig ist, sondern schön glänzt, gut im Mund schmilzt und nur aus nachhaltigen und hochwertigen Zutaten besteht. 

Einen deutlich größeren qualitativen Spielraum, der gleichzeitig sicherlich auch unter Laien leichter erkennbar ist, stellen wir nun mal eben anhand des Geschmacks und des Geruchs der Schokolade fest. Entweder schmeckt die Schokolade oder nicht, so einfach ist es!

 

Meine Bewertungskriterien – bezogen auf die sensorischen Eigenschaften:

 

Ich empfehle folgende Herangehensweise (selbst kreiert; basierend auf eigenen langjährigen Erfahrungen) bei der Bewertung von Schokoladenqualität:

 

Für jedes der 7 Bewertungskriterien können zwischen 1 bis 10 Punkten vergeben werden

(1 = miserabel; 10 = perfekt).

 

Da die Aspekte „Duft“, „Geschmack“ und „Aromen-Qualität" in der Regel als die entscheidendsten gelten, werden die in diesen Bereichen vergebenen Punkte verdoppelt. Auf diese Weise können bei voller Punktzahl bei allen zu bewertenden Kriterien zumindest theoretisch insgesamt 100 Punkte erreicht werden.

  • Aussehen (wie schätze ich die Optik ein, z. B. ästhetisch, glänzend, kreidig, fleckig, hell, dunkel etc.) 1-10 Punkte

  • Duft (was rieche ich und wie gefällt es mir?) 1-10 Punkte x 2

  • Geschmack (was schmecke ich und wie gefällt mir das, was ich schmecke?) 1-10 Punkte x 2

  • Aromen-Qualität/-Komplexität (wie beurteile ich die Qualität der zu schmeckenden Aromen in Bezug auf Gefälligkeit, Intensität und Harmonie inkl. Fehlaromen?) 1-10 Punkte x 2

  • Nachgeschmack (welches Geschmacksempfinden habe ich im Gaumen, nachdem die Schokolade bereits weg ist – gefällig, unangenehm usw.?) 1-10 Punkte

  • Schmelzeigenschaften (wie empfinde ich den Schmelz der Schokolade, z. B. angenehm, unangenehm, langsam, schnell, zart, weich, hart, bröckelig etc.?) 1-10 Punkte

  • subjektiver Gesamteindruck (wie gefällt mir persönlich die Schokolade insgesamt?) 1-10 Punkte

 Bei voller Punktzahl überall sind 100 Punkte insgesamt möglich.

 

a) Duftaromen:

 

Der Duft der Schokolade ist neben dem Aussehen der allererste und gleichzeitig einer der ausschlaggebendsten Indikatoren, der uns bereits sehr deutlich erkennen lässt bzw. einen ersten Eindruck verschafft, ob es sich um eine qualitativ hochwertige Schokolade handelt oder nicht. Außerdem können wir anhand des Schokoladengeruchs erste Rückschlüsse ziehen, ob sie uns prinzipiell gefällt und welche geschmackliche Aromen-Ausrichtung zu erwarten ist.

 

b) Geschmacksaromen: 

 

Da der Geschmack der Schokolade bei einer Verkostung neben den vielen anderen Faktoren dennoch am allerwichtigsten ist, vergebe ich in dieser Kategorie bewusst die Hälfte aller möglichen Punkte. Je vielschichtiger und harmonischer die Aromen sind und ein prägnantes, aber mildes und liebliches Aromenprofil im positiven Sinne ergeben, desto höher fällt die Bewertung aus.

 

Bei Fehlaromen oder zu intensiven Aromen, die sich wiederum negativ auf den Gesamtgeschmack auswirken, bewerte ich entsprechend schlechter. Im Großen und Ganzen kommt es auf ein insgesamt stimmiges Aromenspektrum in Form einer geschmacklich gut ausbalancierten Schokolade an, in der alle zum Tragen kommenden Aromen gut miteinander harmonieren. Und wenn die Schokolade von Beginn an schmeckt und eine riesengroße Freude bereitet, dann ist schon viel damit gewonnen. Zu den wichtigsten objektiven Qualitätskriterien gehören bei der Schokolade, ähnlich wie bei der Weinbeurteilung, die Intensität, die Komplexität, die Harmonie und die Länge der auftretenden Aromen. All diese Hauptaspekte haben einen entscheidenden Einfluss auf die Aromen-Qualität, weil sie mit einem geschulten Gaumen und Geruchssinn relativ objektiv festgestellt werden können und somit als Grundbasis für eine Benotung mit einem Punkte-System geeignet sind.

 

c) Optik: 

 

Dass auch das Aussehen entscheidend ist und daher einen Einfluss auf den Endgeschmack der Schokolade hat, ist unumstritten. Damit die Schokolade einwandfrei glänzt und gefällige Schmelzeigenschaften aufweist, muss sie zuallererst fehlerfrei temperiert worden sein. Nur so wird sie nicht bröselig und knackt stattdessen klangvoll, wenn man ein Stück abbricht.

 

Beim falschen Temperieren entstehen sehr leicht unerwünschte optische und sensorische Mängel. Die Schokolade wird grau und glanzlos, bildet also Fettreif. Sie bekommt nicht nur ein unschönes kreidiges Erscheinungsbild, ihre Konsistenz wird deutlich härter, weil durch Hitzeeinwirkung die gesamte Kakaobutter auf die Oberfläche der Tafel gelangt, also nicht mehr gleichmäßig verteilt ist. Wenn sich Zuckerkristalle oben bilden, wurde die Schokolade zu hoher Feuchtigkeit ausgesetzt.

 

Die Geschmacksqualität wird von beiden physikalischen Phänomenen siginifikant beeinträchtigt. Wenn in der Herstellung, im Transport und in der Lagerung auf schokoladenfreundliche Umgebungstemperaturen ohne große Schwankungen geachtet wird, dann sind qualitative Einbußen nicht zu befürchten.

 

d) Textur (Schmelzeigenschaften):

 

Wenn die Schokolade im Gaumen weder zu langsam noch zu schnell wegschmilzt, dann sind die Schmelzeigenschaften gut getroffen. Unter den Chocolatiers ist es eine Kunst für sich. Nur unter dieser Voraussetzung können sich die Kakao-Aromen bei einer Verkostung einwandfrei entfalten. Wenn beispielsweise zu viel zusätzliche Kakaobutter oder zu viel Lecithin hinzugefügt wird, läuft man Gefahr, dass der Schmelz zu wässrig wird. Folge: die Schokolade löst sich zu schnell im Gaumen auf. Dadurch wird es schwerer, dass die Schokolade möglichst lange im Mund bleibt.

 

Durch eine zu dünnflüssige Textur wird sie nämlich – ob wir’s wollen oder nicht – schneller runtergeschluckt. Wenn die Schokolade nur aus Kakaomasse und Zucker besteht, wird die Struktur automatisch etwas dickflüssiger, weil der Gesamtfettgehalt im Produkt ein wenig geringer ist. Nicht vielen Schokoladenherstellern gelingt es bei 70-prozentigen Schokoladen komplett auf Kakaobutter zu verzichten. So kann es bei den klassischen 70-Prozent-Varianten sehr leicht passieren, dass die Schokolade nicht perfekt schmilzt, also etwas länger braucht, bis sich die Aromen entfalten können. Bislang gibt es noch wenige Schokoladenproduzenten, die derartige technische Fähigkeiten besitzen, ohne Zusatz von Kakaobutter 70-prozentige Schokoladen mit einem perfekten Schmelzverhalten herzustellen.

 

Je höher der Kakaogehalt, desto einfacher ist es, auf Kakaobutter zu verzichten, weil Kakaomasse ja von Natur aus einen Fettanteil von etwa 50 Prozent hat. Was Schokoladen mit einem Kakaogehalt zwischen 70 und 80 Prozent anbelangt, fügen die meisten Bean-to-Bar Hersteller in der Regel zumindest ein paar Prozent Kakaobutter immer hinzu. Bezogen auf den Kakao-Gesamtanteil und den natürlichen Fettgehalt, der je nach Kakaosorte immer etwas variiert, sind es durchschnitllich fünf bis zehn Prozent Kakaobutter, die hinzugefügt werden.

 

e) Zutaten:

 

Im Idealfall besteht eine perfekte Schokolade nur aus zwei Zutaten, d. h. Kakaobohnen und Zucker. Eine perfekte Zutatenliste einer hochwertigen Ursprungs-Schokolade sieht daher folgendermaßen aus: Kakaomasse, (Rohr)zucker und eventuell ein bisschen Kakaobutter. Aus meiner Sicht ist es zwar akzeptabel, wenn Lecithine aus nicht genetisch modifzierten Rohstoffen (z. B. Sonnenblumenlecithin) in sehr geringen Mengen eingesetzt werden. Im Idealfall sollte der Chocolatier auch darauf verzichten.

 

Der Einsatz von Emulgatoren ist letztendlich immer ein Indiz, das aus wirtschaftlichen Gründen am Produkt gespart wurde. Denn mit Lecithin kann man die Conchierdauer verkürzen, weil die Schokoladenflüssigkeit im Melangeur schneller und mit weniger Aufwand eine optimale Fließfähigkeit erhält. Solange es sich um biologisches Lecithin handelt und es keinen negativen Einfluss auf den Gesamtgeschmack und die Schmelzeigenschaften des Produktes hat, vergebe ich in der Regel volle Punktzahl, wenn ansonsten auch alle anderen Faktoren von überdurchschnittlich hoher Qualität sind.

 

Gesamteindruck: 

 

Unter der Berücksichtigung aller Bewertungskriterien, je nachdem wie diese punktemäßig abgeschnitten haben, und meinem daraus generierten subjektiven Gesamturteil – besonders hinsichtlich des von mir empfundenen Geschmackserlebnisses – entsteht daraus eine entsprechende Benotung. In dieser Kategorie bin ich besonders großzügig. Wenn mir eine Schokolade grundsätzlich sehr schmeckt und parallel alle anderen Kriterien meinen Werten entsprechend für mich zufriedenstellend sind, vergebe ich ohne zu zögern meistens die volle Punktzahl.

 

Nachhaltigkeitseinschätzung: 

 

separat ausgewertet, unabhängig von Sensorik-Bewertung

 

Unter Nachhaltigkeit verstehe ich alle in Frage kommenden ganzheitlich fungierenden Faktoren, die mit einem nachhaltigen, klimapositiven und ökologischen bzw. naturnahen Agroforst-Kakaoanbau sowie überdurchschnittlich fairen, sozialen und direkten Beziehungen zu den Kakaobauern, in partnerschaftlicher und harmonischer Zusammenarbeit mit den Schokoladenproduzenten, einhergehen. Auch die Bewahrung von bedeutenden Ökosystemen inklusive historisch und botanisch wertvoller Kakaosorten, die so selten sind, dass sie andernfalls nicht mehr existieren würden, spielt für mich eine wichtige Rolle.

 

Um alle relevanten Nachhaltigkeits-Faktoren mitberücksichtigen und möglichst objektiv umfassend einordnen und bewerten zu können, nutze ich das von Original Beans neu entwickelte Nachhaltigkeits-Kriterien-Schema (Compliance with sources as Original Beans Standard).

 

Folgende 10 Kriterien werden beurteilt:

 

1. Beschaffung von seltenen Kakaosorten

 

2. Direkter Handel

 

3. Das bestmögliche Produkt machen (betrifft alle Schritte vom Anbau bis zur fertigen Schokolade)

 

4. Produktion 100% pur und natürlich

 

5. Natur- und Umweltschutz

 

6. Klimaschutz

 

7. Müllvermeidung;

 

8. Transparenz (sozial, ökologisch, geographisch)

 

9. Unabhängige Zertifizierung

 

10. Verbesserungsbestreben und integrierende Kooperationen mit Anderen